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Kein Fall für den Kammerjäger

■ Insekten aller Art schwirren durch die Räume der Galerie Delank. Und Rüssel. Und Thomas Rieck kommt zu kurz

Bssss. Bssss. Eine Fliege. Bssss. Niemand muß nun hastig zum Fernsehgerät laufen, um die Aus-Taste zu betätigen, auf daß dieses lästige Exemplar der Rasse homo pfaffis penetrantis schwatzis endlich schweige. Bssss. Nein, diese Fliege schweigt stille.

Ebenso wie jene links davon. Und die rechts. Und die anderen sieben Musca Domestica-Artgenossen, die an der Wand von Claudia Delanks Galerie kleben. Tellergroß, mit haarigen Beinen und wächsernen Flügeln. Eine wie die andere. Doch, wer wagt, sich ihnen auch ohne Klatsche zu nähern, wird sehen: Die Stubenfliegen der koreanischen Künstlerin Young-jin Park sind veritable Unikate. Individuen gar, wie die BuddhistInnen es sagen und deshalb selbst die nervigste unter ihnen als Inkarnation göttlicher Schaffenskraft verehren. Und in der Tat – Parks Fliegen, in ihrem natürlichen Ambiente dargestellt, d.h. auf Tapetenpapier kopiert und mit Tusche bearbeitet, zeigen alle Anzeichen eines ausgeprägten Persönlichkeitsprofils: Ein eigener Kopf, keine Flügelstruktur wiederholt sich ein zweites Mal, und auf den ungekämmten Hinterteilen sprießen feine Härchen eigensinnig in alle erdenklichen Richtungen.

Claudia Delanks Ausstellung „Über Tiere“, in der außer Parks Exponaten noch thematisch einschlägige Arbeiten von Horst Hellinger, Milena Aguilar und Thomas Rieck zu sehen sind, huldigt allerdings nicht nur der Fliege. Heuschrecken, Libellen Käfer, Raupen, Hummeln: Kurzum all diese Viecher, denen der Mensch der hiesigen Breitengrade bevorzugt mit eingerollten Zeitungen und Insektentod begegnet, tummeln sich in derartiger Populationsdichte in der Galerie, daß selbst der gutmütigste Buddhist Schwierigkeiten haben würde, sich der Individualität jedes einzelnen zu vergewissern. Allein auf Milena Aguilars sehr schönen Radierungen und Strichätzungen wimmelt es von Insekten aller Größen.

Mit bemerkenswerter Detailversessenheit hat sie selbst das winzigste Spinnenvieh auf die Platte gestrichelt und sie dabei so arrangiert, daß sie gemeinsam mit Maikäfern, Libellen und Seidenspinnerraupen ein optisch ansprechendes Ensemble bilden. Ob wie Buchstaben von links nach rechts aufgereiht oder – eine witzige Reminiszenz an das Genre der Schlachtengemälde – als Dokumentation einer wüsten Schlägerei (Marienkäferkampfgeschwader von links, Bienentruppenaufmärsche von rechts): Detailgenauigkeit und die vielgliedrige Gestalt der Tiere vereinen sich immer wieder aufs Neue zu reizvollen Anordnungen. Und je länger man die Bilder betrachtet, desto mehr treten die einzelnen Tiere zurück zugunsten eines allgemeinen ästhetischen Eindrucks. Erstaunlich: Millionen Viecher in der Wohnung, und man erfreut sich trotzdem daran, wie schön sie aussehen. So alle auf einen Haufen.

Horst Hellinger hingegen mag keine Insekten. Zumindest nicht, wenn sie als goldene Zinkgußaschenbecher in Zikadenform daherkommen. Aber unter Horst Hellingers Lötbrenner schmilzt selbst ein derart überflüssiges Produkt zu einer matten grauen Skulptur, die, befreit von ihrem Dasein als insektoider Aschenbecher, an manchen Stellen gar freudig aufblitzt. Hellingers tönernden Elefantenrüsselskulpturen hingegen, strohdurchsetzt, erinnern an archäologische Funde und damit an längst verstorbenes Getier.

Fehlen noch Thomas Riecks bunte Zeichnungen eines Esels (oder Kamels?), Fischs (oder Vogels?), Hunds (oder Wolfs?). Riecks Arbeiten verwischen die Grenzen zwischen echten Tieren und Fabelwebsssss. Bsssss. Bssss. Bss – Platsch!! Das war's. zott

Noch nicht ganz. Bssss. Claudia Delanks Galerie zeigt die Ausstellung „Über Tiere“bis zum 25. April. Wer sie nicht während des heute beginnenden Offenen Galeriewochenendes besichtigen möchte (Sa 15-20 Uhr; So 12-18 Uhr), kann die Öffnungszeiten unter der Nummer 34 99 38 2 erfragen.

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