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Von rechtsextremen Gnaden

Trotz aller Mahnungen werden seit gestern einige Regionen Frankreichs von Konservativen regiert, die mit den Stimmen der Front National gewählt wurden  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Drei französische Regionen – Rhône-Alpes, Languedoc-Roussillon und Centre – haben seit gestern konservative Präsidenten von Gnaden der Rechtsextremen. Die Mahnungen von Staatspräsident Jacques Chirac, Premierminister Lionel Jospin und sämtlichen großen Parteispitzen in Paris, keine rechtsextreme Unterstützung anzunehmen, verhallten an der konservativen Basis wirkungslos. Bei den Abstimmungen am Vormittag verzichtete die Front National auf eigene Kandidaten und stimmte jeweils für die Konservativen, von denen sie in den Vortagen politische und personelle Zusagen für die sechsjährige Legislaturperiode der Regionalräte verlangt hatten.

Die drei Umfaller kommen aus der rechtskonservativen Partei UDF. Unter ihnen ist auch der auf der Bonner Hardthöhe gut bekannte frühere französische Verteidigungsminister Charles Millon. Dank der 35 Stimmen von der Front National kann er weiterhin Präsident der großen Region Rhône-Alpes (Hauptstadt Lyon) bleiben. Die Verhandlungen in den Vortagen hatten mehr oder weniger geheim stattgefunden. Sie wurden gestern öffentlich, als der Rechtsextreme Bruno Gollnisch nach dem ersten Durchgang, der keine klare Mehrheit zustande brachte, fragte, ob er mit der Unterstützung von Millon für seine Politik rechnen könne.

UDF-Politiker Jacques Blanc, der schon lange in dem nagelneuen Regionalratsgebäude in Montpellier (Languedoc-Roussillon) residiert, hatte aus seinen Allianzabsichten auch vor den Wahlen kein Geheimnis gemacht. Sozialisten in der südfranzösischen Grenzregion zu Spanien sprechen von einem „Abkommen, das im September geschlossen wurde“. Gestern wurde Blanc nach einer Antrittsrede, die sämtliche Programmpunkte der Front National enthielt – Ablehnung der „linken Diktatur“ in der Kultur, Steuersenkungen, mehr Sicherheitskräfte – bereits im ersten Durchgang gewählt. Die UDF-Parteizentrale in Paris reagierte umgehend mit seinem Parteiausschluß.

In der Region Centre schließlich hatte sich die Allianz zwischen republikanischen Rechten und extremen Rechten in den letzten Tagen abgezeichnet, nachdem der konservative Spitzenpolitiker seine Kandidatur für die Präsident der Region zurückgezogen hatten, um nicht auf die Stimmen der Front National angewiesen zu sein.

Anstand und Parteidisziplin bewies hingegen ein UDF-Politiker in der ostfranzösischen Region Franche-Comte. Als klar war, daß er mit den Stimmen der Front National gewählt worden war, legte er das Amt umgehend nieder. An seiner Stelle wird nächste Woche ein Politiker der sozialistennahen „Bürgerbewegung“ antreten.

Die Einzelheiten der hinter den Kulissen ausgehandelten Zugeständnisse der konservativen Politiker an die rechtsextreme Front National werden die betroffenen Regionen erst in der nächsten Zeit erfahren. Unter anderem gehörte zu den Geheimverhandlungen auch die Schacherei um Posten an der Spitze der Regionen.

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