■ Der Bücherfrühling ist da – mit vielen lesenswerten Neuerscheinungen. Die Wahrheit präsentiert:
: Leipziger Lesezeichen (1)

Leser müssen Entscheidungen treffen. Sollen sie sich ein neues Buch zulegen? Sollen sie sich sogar zwei oder gar drei neue Bücher zulegen? Was steht dann da drin? Lohnt die Ausgabe? Die Wahrheit hilft: Damit Bücherfreunde nicht die Katze im Sack kaufen müssen, veröffentlichen wir anläßlich der Leipziger Buchmesse in den folgenden Tagen Textauszüge aus den interessantesten Neuerscheinungen dieses Frühjahrs.

Kochen und Kommunikation

Alfred Biolek: „Die Rezepte der entfernten Verwandten meiner Gäste“, 184 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, 48,90 DM, Verlag Teuer & Gelddruck

Textauszug: „Eines Tages rief mich mein alter Freund Rudolf Mooshammer aus München an und erzählte in seiner wirklich witzigen Art von seinem alten Freund Gerhard Meir, der ja in München, aber nicht nur da, ein äußerst prominenter Prominentencoiffeur ist, daß der seinen Cousin großmütterlicherseits in Oer-Erkenschwick habe, der uuuunnglaublich leckere Schlobbjes mit Mazzke machen könne.

Ich sagte zu Rudi, „Mensch Rudi, daaaas Rezept mußt du mir besorgen, Schlobbjes mit Mazzke kennt heute kein Mensch mehr. Meine Mutter hat mir damals in Böhmen – weißt du, ich bin ja Böhme von Herkunft an ungeraden Tagen, an geraden bin ich Mähre hähähä, wir machen immer diese köstlichen Witze – also Schlobbjes mit Mazzke, wenn du mir das Rezept besorgst, dann koch' ich mal einen Abend Schlobbjes mit Mazzke, und dann lade ich dich und den Gerhard dazu ein und sonst keinen.“ Und er hat's mir dann besorgt, und es war ein irrsinnig toller Abend. Dazu haben wir einen ganz einfachen Landwein getrunken. Der paßte perfekt. Es muß nicht immer der Teure sein, obwohl man natürlich zu Schlobbjes auch einen Teuren trinken kann.“

Ermittlungen und Erotik

Martha Grimes: „Inspektor Jury liegt unter Frauen“, 212 Seiten, 24,80 DM, rororo

Textauszug: „Jury zückte seinen Dienstausweis. Macalvie schaute erst ihn und dann wieder Constable Betty Coogan an. Schließlich sagte er: „Sie haben doch gewußt, wo ich stecke. Warum zum Teufel haben Sie mich nicht schneller rufen lassen?“

Sie schaute zu Boden. Ja, sie hatte den in diesem District zuständigen Chief Superintendent erst drei Stunden nach der Entdeckung der Leiche verständigt. Statt dessen hatte sie Scotland Yard angerufen und Superintendent Jury gebeten, mit ihr zum Tatort zu fahren. Eine halbe Stunde später hielt Jurys cremefarbener Rover vor der Tür ihres kleinen, pastellfarbenen Reihenhauses in der Wilshire Street.

Über Nacht war Schnee gefallen. Jury liebte Schnee seit seinen Kindertagen. Ein jungenhaftes Lachen umspielte seine blaßrosa Lippen, als er den zierlichen Türklopfer dreimal an die lindgrüne Holztür schlug. Betty öffnete sofort. Noch bevor Jury den Mund zur Begrüßung öffnen konnte, ahnte er ihre nur mit einem fliedernen Negligé bedeckte, schneefarbene Weiblichkeit. Und obwohl Jury Schnee seit seinen Kindertagen liebte, fragte er brüsk: „Constable, was hat das zu bedeuten?“

Betty verzog den breiten Mund zu einem spöttischen Grinsen: „Ach hören Sie schon auf, Jury. Seit ungefähr 20 Bestsellern stapfen Sie durch zauberhafte Winterlandschaften und sehen gut aus. Auf wenigstens 5.000 Seiten klären Sie mäßig verzwickte Mordfälle auf und machen währenddessen einen guten Eindruck auf das weibliche Romanpersonal. Aber noch nicht ein einziges Mal haben Sie es auch nur versuchsweise mit einer dieser englischen Puderdosen getrieben. Was sind Sie? Ein Eunuch? Also los, stehen Sie nicht so blöd im Schnee rum! Kommen Sie endlich rein und legen Sie mich verdammt noch mal flach! Zum Tatort können wir danach fahren. Die Leiche läuft uns nicht weg.“

Jury riß sich noch im Hineingehen die maßgeschneiderten Langweilerklamotten vom Leib. Wie ein von Ketten befreites Raubtier stürzte er sich auf Constable Betty Cogan und versank in einem blutroten Meer der Leidenschaft.“ Fritz Eckenga