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Mental auf andere Partner eingestellt

Serie: Die neuen Bezirke (Folge 5): Die Politiker in Lichtenberg und Hohenschönhausen fühlen sich einem Senatsbeschluß ausgeliefert, der eigener Planung entgegenläuft. Widerstand könnte Abstimmung im Parlament gefährden  ■ Von Uwe Rada

In Sachen Bezirksreform sind die Attribute längst verteilt. Kreuzberg und Friedrichshain werden zum „Armenhaus Berlins“, Steglitz und Zehlendorf zum „CDU-Bezirk“ im Südwesten, Köpenick und Treptow zum „reichen Ostbezirk“. Und Hohenschönhausen und Lichtenberg? „Zum vereinigten Stasi-Bezirk“, sagt eine Frau am U-Bahnhof Magdalenenstraße.

Zumindest, was das Stasi-Verdikt angeht, findet sich Volkes Stimme auch in den Bezirksparlamenten wieder. „Wir sind sicher vieles, aber kein Stasi-Bezirk“, schimpft die SPD-Bezirksverordnete Ulrike Liedke aus Hohenschönhausen auf die Lichtenberger Kollegen von der CDU. Die nämlich haben vor kurzem erst das alte Wort vom Regierungs- und Stasi-Bezirk Hohenschönhausen aufgewärmt.

Aus mangelnder Lust, mit den Hohenschönhausenern in einen Bezirk geworfen zu werden. „Doppelzüngig“ nennt das ein Hohenschönhausener Abgeordneter. Immerhin sei die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße und damit in Lichtenberg gewesen. Die Lichtenberger verweisen wiederum auf die Sozial- und Wählerstruktur im Nachbarbezirk, wo in manchen Straßenzügen bis zu 94 Prozent der Bewohner für die PDS stimmen würden – alles ehemalige Funktionäre, wie es nicht nur hinter vorgehaltener Hand heißt.

Für die PDS-Bezirksverordnete Sieglinde Wilhelm ist Hohenschönhausen dagegen ein „normaler Bezirk“. Gegen die Lichtenberger hat sie nichts, vor allem nicht gegen die Lichtenberger PDS. In beiden Bezirken sind die demokratischen Sozialisten stärkste Partei und stellen den Bezirksbürgermeister. Und in beiden Parteien hat die PDS eigentlich nichts gegen ein Zusammengehen von Hohenschönhausen und Lichtenberg. „Nur gegen die Gebietsreform an sich, da haben wir was gegen“, sagt Sieglinde Wilhelm. Bei der CDU und der SPD verhält es sich genau umgekehrt. „Wir haben uns eigentlich auf ein Zusammengehen mit Weißensee und Pankow eingerichtet“, sagt die Hohenschönhausener SPD-Abgeordnete Liedke. „Nun wurden wir überrascht und fühlen uns ausgeliefert“.

Mit dem Innenstadtbezirk Lichtenberg verbinde den Randbezirk Hohenschönhausen eigentlich wenig. Und selbst zur Lichtenberger SPD gebe es keine Kontakte. Deshalb, so Liedkes Schlußfolgerung, sei die SPD in Hohenschönhausen zwar für die Gebietsreform, aber gegen eine Zusammenlegung mit Lichtenberg. Ins gleiche Horn bläst auch die CDU. Seit längerem haben sich der liberale Bezirksverband Lichtenberg und die konservativen Christdemokraten aus Hohenschönhausen nur noch wenig zu sagen.

Hinter den parteipolitischen Animositäten und bezirklichen Unübersichtlichkeiten steckt nicht selten freilich ein Umstand, der dem machttaktischen Neuzuschnitt der Bezirke durch die Fraktionschefs der SPD und CDU zum Opfer fiel. Bereits seit längerem arbeiten Hohenschönhausener Behörden mit denen in Pankow und Weißensee zusammen. Und auch die Lichtenberger waren bis vor kurzem noch von Kopf bis Fuß auf eine Liaison mit den Friedrichshainern eingestellt. Auch Claudia Hämmerling, bündnisgrünes Abgeordnetenhausmitglied aus Weißensee, findet die ursprünglichen Zuschnitte überzeugender: Zum einen, so Hämmerling, sei Hohenschönhausen historisch aus Weißensee entstanden. „Zum anderen hat unter der Senatsmaßgabe der Regionalisierung bereits ein Zusammenlegen verschiedener Ämter und Dienstleistungen entlang der vormals vorgesehenen Bezirksgrenzen stattgefunden.“ Dies betreffe insbesondere den Gesundheits- und Sozialbereich, wo viele Einrichtungen vor allem in Weißensee und Hohenschönhausen zusammengefaßt worden seien.

Nun soll also zusammenwachsen, was nicht zusammengehört? In der Tat könnten die beiden Bezirke unterschiedlicher nicht sein. Da ist auf der einen Seite der Innenstadtbezirk Lichtenberg, angeschlossen an das U-Bahn-Netz, mit Berlins größtem Fernbahnhof, einem ausgedehnten Gründerzeitareal und den komplexen Großsiedlungen der DDR-Moderne wie etwas dem Gebiet Frankfurter Allee-Süd. Zum andern ist da der noch junge Neubaubezirk Hohenschönhausen mit seinem Altbauquartier rund um die Konrad- Wolf-Straße und den drei Dörfern Falkenberg, Wartenberg und Malchow.

Vor allem die Hohenschönhausener fürchten, daß in einem gemeinsamen Bezirk die meisten Investitionen in Infrastruktur und Kultur in den Innenstadtbezirk Lichtenberg fließen. Vorab-Meldungen wie die, daß das künftige Rathaus selbstverständlich in der Lichtenberger Möllendorfstraße liegen wird, tragen da auch nicht unbedingt zur Vertrauensbildung bei. Einzig die Wohnungsbaugesellschaften üben sich derzeit in Pragmatik. Als hätten sie die neuen Bezirkszuschnitte vorausgeahnt, haben die Gesellschaften in Hohenschönhausen und Lichtenberg bereits vor einiger Zeit fusioniert. Zwar wird auch in den Bezirksämtern von Hohenschönhausen und Lichtenberg längst nicht alles so heiß gegessen, wie es in den Bezirksparlamenten gekocht wird. Doch der wirtschaftliche Nordostraum, auf den Wirtschaftspolitiker und auch Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) seit 1992 verweisen, ist noch immer eine Schimäre. Zwar verfügt der Berliner Nordosten mit den Bezirken Hohenschönhausen, Lichtenberg, Hellersdorf und Marzahn tatsächlich über die größten Flächenpotentiale an fertigender Produktion. Doch bislang stehen diese Flächen zumeist nur auf dem Papier respektive dem Flächennutzungsplan, weiß die bündnisgrüne Abgeordnete Claudia Hämmerling. So hätten sich zum Beispiel am Karower Kreuz, als Flächenpotential für Industrie ausgewiesen, bislang nur einige Recyclingunternehmen angesiedelt.

So bleiben also die Unterschiede, von der PDS einmal abgesehen, im Vordergrund. Und die sind in beiden Bezirken so groß, daß namentlich in Lichtenberg die zwei SPD-Abgeordneten als „unsichere Kantonisten“ gelten für die entscheidende Abstimmung über die Bezirksreform an diesem Donnerstag. Schließlich ist die notwendige Zweidrittelmehrheit verfehlt, wenn nur vier Abgeordnete der Regierungskoalition mit der Opposition stimmen. Zumindest ein gemeinsamer Stasi-Bezirk bliebe dann der Passantin am U- Bahnhof Magdalenenstraße erspart.

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