piwik no script img

Gezerre um Crashkid Jasmin O.

■ Grüne Jugendstadträtin von Tiergarten wollte 13jährigen Bosnier für ein Gutachten in die Psychiatrie einweisen. Die Polizei durchkreuzte den Plan und behielt ihn in Gewahrsam

Das Schicksal des 13jährigen delinquenten Jasmin O. ist weiter unklar. Das Jugendamt Tiergarten hat gestern beim Gericht beantragt, den weit über 100mal beim Autoknacken und Diebstahl erwischten Bosnier zur Begutachtung in ein psychiatrisches Krankenhaus einzuweisen. Die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung war noch für den gleichen Tag geplant. Doch die Polizei durchkreuzte diesen Plan: Der junge Mann wurde nicht wie von der Jugendstadträtin geplant in die Psychatrie gebracht, sondern bleibt in Polizeigewahrsam. Der Grund: die Polizei habe ohne sie zu unterrichten eine Altersuntersuchung durchgeführt und festgestellt, daß Jasmin O. älter als 14 Jahre und damit strafmündig sei, so die bündnisgrüne Jugendstadträtin Elisa Rodé.

Nach den Plänen des Jugendamtes sollte ein psychiatrisches Gutachten die Grundlage für einen Hilfeplan für den Bosnier sein. Sie habe den Eindruck, daß das Flüchtlingskind an extremer Beziehungsslosigkeit und Kleptomanie leide, sagte Rodé.

Der Fall Jasmin O. war in den Medien extrem hochgekocht worden. Nicht nur die Bild-Zeitung berichtete nahezu täglich über das von der Polizei als „Zeitbombe“ betitelte Kind, das sich in geklauten Autos Verfolgensjagden mit den Fahndern lieferte. Die zuständige Tiergartener Jugendstadträtin geriet zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik, weil sie es nicht schaffte, den Jungen durch entsprechende Maßnahmen von weiteren Taten abzuhalten. Selbst Jugendstaatssekretär Klaus Löhe (SPD) forderte Rodé öffentlich via Bild auf, Jasmin O. sofort in einem geschlossenen Heim in Westdeutschland unterzubringen. Auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz verteidigte sich Rodé mit dem Hinweis, daß die geschlossenen westdeutschen Heime die Aufnahme von Jasmin O. abgelehnt hätten. Diese Heime seien im Gegensatz zu Berliner Einrichtungen nicht zur Aufnahme des Jungen verpflichtet.

Löhes Alternativvorschlag, Jasmin O. im abgelegenen brandenburgischen Frostenwalde in einem nicht geschlossenen Heim unterzubringen, hält Rodé für indiskutabel, weil das ausländische Kind in den neuen Bundesländern leicht Zielschiebe rassistischer Gewalt werden könnte. Die einzige Möglichkeit zur Betreuung von Kindern wie Jasmin O. sei, ihnen rund um die Uhr Einzelfallhelfer als „sozialpädagogische Bodyguards“ zur Seite zu stellen, sagte Rodé. Doch das lehnt Jugendstaatssekretär Löhe wiederum ab. „Ein Begleitschutz wie für Michael Jackson kommt für Kinder nicht in Frage“, so Löhes Sprecherin Rita Hermanns.. Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen