piwik no script img

Alte Knochen, gar nicht müde

■ Ein Pop-Star eigenen Zuschnitts: Im Curio-Haus gastiert der 79jährige Kubaner Rubén González

Eubie Blake. Der 1983 verstorbene Ragtime-Pionier ist der einzige Musiker, der mir einfällt, der noch im Alter von 90 Jahren über die Konzertbühnen der Welt tobte. Diese Tatsache allein sollte Gerontologen in Scharen nach Kuba treiben. Denn in den letzten Jahren taten sich immer wieder Musiker hervor, die, als das Jahrhundert noch jung war, auf der Karibikinsel geboren wurden. Nachdem zu Beginn der Neunziger Mario Bauza (geboren 1911) mit seiner Big Band zwei schöne Platten veröffentlichte und bei etlichen Auftritten in Europa gefeiert wurde, kann der vor kurzem Grammy-gekrönte Buena Vista Social Club trotz Mitwirkung des vergleichsweise jugendlichen US-Gitarristen Ry Cooder ein noch höheres Durchschnittsalter vorweisen.

Dabei sind die Club-Mitglieder durchaus nicht gefeit gegen jene Gebrechen, die sich gegen Ende des Lebens vermehrt einzustellen pflegen. Der heute 79jährige Pianist Rubén González etwa hatte mit dem Klavierspielen schon abgeschlossen – nicht nur, weil ein Instrument in sein schmales Apartment in Havana nicht hineingepaßt hätte, sondern auch, weil ihn die Ar-thritis plagte. Die 1996 erfolgte Wunderheilung darf man Cooder anrechnen, der Gonzales nicht nur wieder einem Instrument zuführte, sondern ihn auch mit einigen alten Kollegen wiedervereinigte, darunter der 90jährige Sänger und Gitarrist Compay Segudo und der trotz seines vergleichsweise geringen Alters von 71 Jahren gesichtsälteste Beteiligte der Buena Vista Social Club-Platte, der Sänger Ibrahim Ferrer.

Der sensationelle Verlauf der Aufnahmesession führte dann dazu, daß González direkt im Anschluß daran noch schnell ein eigenes Album einspielen durfte – übrigens sein erstes, als 77jähriger – möglicherweise ein Fall fürs Guiness-Buch. Mag dieses Album im Vergleich mit den anderen beiden jener Trilogie, Buena Vista Social Club und A toda Cuba le gusta von den Afro-Cuban All Stars (einer der Stars hieß wiederum Rubén Gonzáles), auch das unspektakulärste sein: Die Welt hatte endlich Kenntnis genommen von einem der wichtigsten Meister des Latin-Pianos, ohne den nicht nur ein Gonzalo Rubalcaba heute völlig anders klänge, sondern die halbe Jazz-Geschichte neu geschrieben werden müßte.

Wie das Leben so spielt, ist González auf einmal fast sowas wie ein Pop-Star, und deswegen ist sein Konzert im Curio-Haus auch schon lange ausverkauft. Da zu seiner Tour-Band neben Ferrer mit dem Bassisten Orlando „Cachaito“Lopez eine weitere der tragenden Säulen des Buena Vista Social Clubs gehört, ist der Abend nicht nur ein Pflichttermin für Piano-Feinschmecker, sondern für jeden, der dem Reichtum der lateinamerikanischen Musik gegenüber aufgeschlossen ist.

Wir Hanseaten könnten dabei mal wieder besonders Glück haben: Am selben Abend, an dem González, Ferrer und Cachaito im Curio-Haus auftreten, tut das nicht ganz zufällig auch Compay Segundo. Eine große Plattenfirma hat mit ihm kürzlich einen Vertrag abgeschlossen und veranstaltet deshalb ein „Show-Case“– ein Konzert, zu dem leider nur geladene Gäste Zutritt haben – zwei Stunden vor González' Konzert, ebenfalls im Curio-Haus. Wenn es die Kondition des alten Knaben zuläßt, ist es also denkbar, daß Segundo zu vorgerückter Stunde in González' Set ein paar Nummern als Gastsänger zum besten gibt.

Detlef Diederichsen

Mi, 1. April, 20 Uhr, Curio-Haus. Das Konzert ist ausverkauft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen