: Echo ohne Widerhall
Kultursenatorin Weiss ist zerknirscht: Ihre Behörde vergibt einen Pop-Nachwuchspreis, und keiner berichtet darüber ■ Christian Buß sagt, weshalb
Post von Christina Weiss, oha. Die Kultursenatorin ist zerknirscht, hat doch ihre Behörde in Zusammenarbeit mit namhaften Sponsoren 40.000 Mark zusammengekratzt, um einen Nachwuchspreis an eine Pop-Band auszuhändigen. Und – Skandal! – keiner der Medienpartner hat's gemerkt. Da wollte sie noch mal mit einem persönlichen Anschreiben auch dem Redaktionsleiter der taz hamburg auf die Finger klopfen.
Kleiner Tip, Frau Weiss: Vielleicht sollten Sie die Auszeichnung nächstes Mal nicht bei der Echo-Gala überreichen, jener immer ein bißchen obszön anmutenden Angeberparade, bei der sich die Tonträger-Industrie gern selbst auf die Schulter klopft. Denn, mal ganz ehrlich, mit Ihren 40.000 Mark wirken Sie da ein bißchen piefig, die gehen bei einer solchen Sause schon mal für den Mann mit dem Schnee drauf. Und Vivid, der sie Preis und Patte überreicht haben, können darüber auch nur lächeln. Vielleicht wissen Sie es nicht, aber kaum eine andere debütierende Band wurde im letzten Jahr derartig finanziell gepusht wie diese Langweiler aus Salzgitter. Ein Insider formuliert es so: „Die Industrie gratuliert sich zum eigenen Aufwand. Diese Kampagne ist im Gegensatz zu anderen nicht vollkommen verpufft.“
Dabei könnte man mit dem Geld wirklich eine Menge auf die Beine stellen. Eine gute Band – und davon gibt es in Hamburg, nebenbei bemerkt, reichlich – könnte damit zehn Jahre ihren Übungsraum bezahlen oder eine Handvoll Alben aufnehmen oder drei Monate auf Tour gehen. Vivid hingegen kriegen für 40 Riesen nicht mal ein Video zustande.
Klar, beim Echo wird keine Talentförderung betrieben, sondern Marketingleistung prämiert. Hier geht es nicht um aufregende Kunst, sondern um Transaktionen aus Kalkül. Hier geht es ums große Geld. Und das ist nicht Ihre Liga, liebe Frau Weiss. Aber vielleicht hat Ihr etwas halbherziger Aktionismus ja auch eine ganz andere Ursache als die Sorge um den lieben Nachwuchs. Wir alle wissen ja, wie erzürnt die Mächtigen der Majors darüber waren, nicht den Bürgermeister beim großen Show-Off namens Echo-Gala begrüßen zu können. Jetzt drohen die Bosse, die von Hamburgs Politik so brüskiert sind wie Sie, Frau Weiß, von uns Pressefuzzis mit ihrer Gala abzuwandern. In Ihrem mahnenden Schreiben an uns jedenfalls warnen Sie: „Gerade angesichts der Diskussion über einen drohenden Wechsel der Echo-Verleihung nach Berlin halte ich es für kommunalpolitisch wichtig, daß die hiesigen Medien über das Engagement der Hansestadt ... informieren.“
Jaja, machen wir. Aber nennen Sie dann doch bitte das Kind beim Namen. Statt von Kulturförderung zu ächzen, halten Sie besser gleich eine flammende Rede für den Wirtschaftsstandort Hamburg.
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