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Schöne Aussichten

■ Die Hafenklangstudios bleiben und wachsen: Der „Kulturstandort“wird genreübergreifend aufgestockt

Dominic Igizzi flezt sich aufs WG-Sofa und beäugt einen Schlepper, der 300 Meter entfernt durch das Hafenbecken pflügt. „Großartige Aussicht, oder?“lacht Dominic und bläst einen Rauchkringel in die Luft.

Tatsächlich sind die Aussichten für die Hafenklangstudios besser als je zuvor, ist doch die Gefahr, daß das Haus in der Carsten-Rehder-Straße 51 der Abrißbirne zum Opfer fällt, gebannt. Und mehr noch: Der Verein Hafenklang Kultur, der Konzerte, Lesungen und Aufführungen in den Räumen am ehemaligen Holzhafen organisiert, wurde bei der Vergabe der alljährlichen Prämie der Kulturbehörde für Clubs mit anspruchsvollem Musikprogramm berücksichtigt (die taz berichtete). 15.000 Mark fließen jetzt in die Kassen des Vereins.

Vor anderthalb Jahren sahen die städtischen Pläne für die Studios weniger wohlwollend aus. Im Rahmen der Hafenrandbebauung sollte das von der Sprinkenhof AG verwaltete Haus abgerissen und das Grundstück verkauft werden. Die sechs Bewohner des Hauses beschlossen, dagegen etwas zu unternehmen. „Zu sagen ,Wir wollen bleiben' war nicht genug. Das war klar. Da kam uns die Idee, den Hafenklang als Kulturstandort zu etablieren“, erklärt Dominic, der inzwischen auf der Schaukel wie ein rauchendes Pendel durch den Raum schwingt.

Gemeinsam mit Anwalt Manfred Getzmann setzten sich die Bewohner des Hafenklangs mit Lokalpolitikern und Repräsentanten der Immobilienfirma Büll & Liedtke (B&L) zusammen. B&L hatten Interesse am Grundstück des Hafenklanges gezeigt und waren per Beschluß der rot-grünen Regierungskoaliton in Altona dazu verpflichtet worden, sich mit den Bewohnern auf den Erhalt des Hauses zu einigen. Doch die Bewohner wollen mehr als nur den Erhalt des Gebäudes. Zusammen mit dem Architekurbüro Urban Attack wurden Pläne für die Vergrößerung des Hauses um zwei Etagen ausgearbeitet. Dr. Peter Voß, kaufmännischer Geschäftsführer von B&L, ist mit den Plänen der Architekten zufrieden: „Wenn unsere Firma Haus und Grundstück von der Finanzbehörde kaufen kann, dann stünde einer Aufstockung des Hafenklanges nichts mehr im Weg.“Für rund zwei Millionen Mark sollen Räume entstehen, die als Ateliers oder in einer anderen Form „musikbezogen“vermietet werden sollen. Wann B&L das Haus kaufen kann, ist allerdings noch unklar.

Während sich die Hafenklangler in Diskussionen und Schriftwechseln für den Erhalt des Hauses einsetzten, lief das Kulturprogramm lautstark auf Touren. Zunächst fanden Konzerte im WG-Wohnzimmer, dem rund 150 Quadratmeter großen Raum im ersten Stock, statt. „Am Anfang war das echt ein Heidenspaß, aber man mußte sich mit Alkohol und Oropax abdichten, wenn man vor sieben Uhr morgens schlafen wollte.“Anfang 1997 wurden die Besucherzahlen bei Konzerten so groß, daß sie im geräumigen Erdgeschoß über die Bühne gehen mußten. In den ehemaligen Stallungen für die Pferde der Straßenbahnlinie 30 feierten Die Sterne im Juni ihre Plattenpräsentation. Hier und bei anderen Events zeigte sich der nicht-kommerzielle Anspruch des Hafenklanges: Eintrittspreise werden komplett an die Künstler ausgezahlt, nur der Ertrag aus dem Getränkeverkauf träufelt in die Vereinskasse.

Vor allem kleine Bands sollen durch den Hafenklang, in dem schon die Einstürzenden Neubauten, Udo Lindenberg und die Jeremy Days Platten eingespielt haben, ein Sprungbrett geboten bekommen. Das Nebeneinander von Bühne und Studio kann Künstlern den Weg zum ersten Tonträger ebnen, so die Betreiber.

„Unser Konzept war in der Vergangenheit immer genreübergreifend, und das soll auch in Zukunft so bleiben“, erklärt Dominic. Gemeint ist ein Nebeneinander von Musik und Performance, Installation und Lesung. Die nächste Kunstform-Melange beginnt am Freitag, dem 3. April. Mit „Passierklang-Happening“soll dem Krautrock durch einen Live-Auftritt und parallel gesampelten Sounds gedacht werden. York Pijahn

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