: „Ganz leicht positive Effekte durch den Euro“
■ Rudolf Zwiener, DIW-Konjunkturexperte, warnt vor einem Wettrennen um die niedrigsten Löhne
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat für das Wirtschaftsministerium und für den DGB je eine Studie über die beschäftigungspolitischen Effekte der Währungsunion erstellt.
taz: Der Nebel um die Teilnehmer an der Währungsunion und deren Defizite lichtet sich. Was erwartet uns, wenn der Euro kommt?
Rudolf Zwiener: Erst mal passiert nichts Spektakuläres. Es ist keine Währungsreform, es ist auch nicht damit zu rechnen, daß sich die Preise ändern. Aber die Wettbewerbsvoraussetzungen innerhalb Europas ändern sich: Mit der Abschaffung der Wechselkurse zwischen den EU-Ländern wird den Lohnabschlüssen eine viel größere Bedeutung zukommen...
...weil die Wechselkurse als Steuerungsinstrument wegfallen?
Genau. Wenn früher in einem Land zu hohe Lohnsteigerungen durchgesetzt wurden, das heißt über dem Wachstum der Produktivität, dann konnte dieser Wettbewerbsnachteil durch niedrigere Wechselkurse ausgeglichen werden. Künftig wird, wer bei den Löhnen überzieht, durch höhere Arbeitslosigkeit bestraft.
Also ein Appell an die Gewerkschaften für besonders moderate Lohnabschlüsse?
Nein, das wäre der falsche Schluß. Die Löhne können im Gleichschritt mit der Produktivität wachsen. Hier liegt aber in der Tat eine Gefahr. Die Neigung, sich mit möglichst niedrigen Lohnabschlüssen einen Vorteil gegenüber den anderen Euro-Ländern zu verschaffen und heimische Arbeitsplätze auf Kosten der Nachbarn zu sichern, könnte zunehmen.
Das wäre dann das gefürchtete „race to the bottom“, das Wettrennen um die niedrigsten Löhne.
Und das muß unbedingt vermieden werden, denn es würde ja den Wohlstand in der Union mitnichten erhöhen. Im Gegenteil, die ausgebremste Nachfrage würde der Konjunktur nur schaden.
Könnte es künftig für deutsche Betriebe noch viel attraktiver werden, in europäische Billiglohnländer wie Portugal abzuwandern? Schließlich fällt das Wechselkursrisiko bald völlig weg.
Die Gefahr sehe ich nicht. Im Gegenteil – daß die deutschen Exporte derzeit so stark zulegen, zeigt doch, wie extrem wettbewerbsfähig wir zur Zeit sind. Daraus ergibt sich kein Anreiz abzuwandern.
Dennoch nähert sich die Arbeitslosenquote in Deutschland 13 Prozent. Ändert der Euro daran etwas?
Wir erwarten vom Euro ganz leicht positive Beschäftigungseffekte.
Bundeskanzler Helmut Kohl hat den Euro als Jobmaschine bezeichnet.
Das scheint mir stark übertrieben. Aber immerhin werden einige europäische Länder in den Genuß deutlich niedrigerer Zinsen kommen. Bislang mußten Länder wie Italien oder Spanien höhere Zinsen anbieten als die Bundesrepublik, um eine Abwanderung aus ihren Währungen zu verhindern.
Die deutschen Arbeitnehmer wird das nicht trösten.
Wenn mehrere europäische Länder wegen der geringeren Zinsen höhere Wachstumsraten schaffen, dann haben wir auch bessere Exportchancen in diese Länder. Insofern hat der Euro auch für die deutschen Arbeitnehmer leicht positive Auswirkungen. Aber so leicht, daß es keineswegs unser Arbeitslosenproblem behebt. Interview: Nicola Liebert
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