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Fortschritt mit Zusatzklausel

■ Vor der Verwirklichung von McKinsey light: Die kulturpolitischen Sprecherinnen der Regierungsfraktionen SPD und CDU im taz-Gespräch

Eine verkleinerte Behörde, eine Kulturmanagement-GmbH und ein Geflecht von Kontrakten sollen künftig das Bremer Kulturleben steuern. Dieses Modell liegt dem Senat zum Beschluß vor, und er wird es sich bestimmt nicht mehr ausreden lassen. Was sich durch diese Light-Version der Vorschläge der Unternehmensberatung MkKinsey verändern wird, erläuterten die kulturpolitischen Sprecherinnen von SPD und CDU, Carmen Emigholz und Elisabeth Motschmann, im Gespräch mit der taz .

taz: Am nächsten Dienstag entscheidet der Senat über die veränderte Neuordnung der Kulturförderung. Würde McKinsey auch dafür stimmen?

Elisabeth Motschmann: Ob McKinsey auch dafür stimmt, ist völlig unerheblich. Wichtig ist, daß wir eine Neuordnung der Kulturförderung hinbekommen. McKinsey hat lediglich die Anstöße gegeben.

Carmen Emigholz: Man bewahre uns vor einem politischen Zustand a la McKinsey. Ich denke, das Positive an der Gesamtuntersuchung ist der Prozeß, der sich entwickelt. In der Auseinandersetzung hat sich gezeigt, daß Bremen eine kulturpolitische Konzeption braucht.

Wenn Sie beide jetzt einen Kulturentwicklungsplan schreiben müßten, welche Leitlinien würden Sie formulieren?

Motschmann: Zunächst mal gilt es, das reiche kulturelle Erbe Bremens zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dazu gehören die Museen, das Theater, die Musik. Und dazu gehören auch die vielen kleinen Institutionen und Projekte, die den Humus für eine lebendige Kulturszene ausmachen. Das eine ist nicht weniger wert als das andere.

Dann ist die Leitlinie, das Bestehende zu erhalten?

Motschmann: Wenn es das wäre, wäre das eine traurige Entwicklung. Kultur muß experimentieren können und sich kritisch mit dem Zeitgeist auseinandersetzen dürfen. Und diese Freiheit der Kultur zu ermöglichen, sehe ich als große Herausforderung an. Und ich hoffe, daß wir in den Museen oder in der Musik eine bessere Koordinierung der verschiedenen Institutionen hinbekommen.

Also Moderation als Leitlinie?

Emigholz: Moderation als Leitlinie wäre mir zu wenig. Und mir wäre auch zu wenig, nur Bestandssicherung zu betreiben. Wir haben jetzt diese hochinteressante Kulturmeile – wir hoffen, daß wir sie noch mit der Zentrale von Volkshochschule und Stadtbibliothek ergänzen können. Aber wir dürfen uns nichts vormachen: Der Projektbereich hat in den letzten Jahren stark gelitten. Wenn es um eine Herausforderung der nächsten Jahre geht, muß dieser tatsächlich kreative Bereich wieder gestützt werden.

Motschmann: Ich möchte noch eine wichtige Ergänzung machen: Wir müssen Kinder und Jugendliche an die Kultur heranführen und begeistern. Da sollten wir uns kreative Gedanken machen.

Emigholz: Aber es sind nicht nur Museums- und Theaterpädagogen, die erste Kontakte zur Kreativität möglich machen.

Also mehr Geld für Projekte als Leitlinie?

Emigholz: Ich würde von einer Stärkung der freien Kulturarbeit sprechen.

Wie erklären Sie im Theater, im Schlachthof oder bei belladonna die Vorteile des neuen Systems?

Motschmann: Ich hoffe und erwarte, daß wir mehr Transparenz in die Kulturförderung hereinbekommen. Und das zwingt uns auch, genau hinzugucken. Kunst ist empfindlich gegen wirtschaftliches Denken. Trotzdem erwarte ich von der Management GmbH, daß manches so gestaltet werden kann, daß am Ende mehr Geld für Kultur und weniger für Verwaltung ausgegeben wird.

Emigholz: Kontrakte sind die Chance, sich konkret über Zielvorstellungen zu unterhalten. Man muß bei den Kontrakten aufgreifen, wie sich jede Sparte weiterentwickeln soll. Kontrakte können auch vor neuerlichen Kürzungsbegehren schützen. Die Management GmbH soll wirtschaftlich beratende Funktionen einnehmen. Inhaltliche Kontrollen lehne ich strikt ab.

Motschmann: Auch ich lehne inhaltliche Einmischungen ab.

Wie lassen sich inhaltliche und wirtschaftliche Eingriffe trennen? Wenn sich bei einem Theater im Sommer ein Riesendefizit abzeichnet ...?

Motschmann: Eine Kulturmanagement GmbH könnte kurzfristig Kredite geben. Wenn sie eine Besitzgesellschaft wird, wird es diese Möglichkeit geben. Das wäre ein Riesenerfolg.

Emigholz: Ich glaube auch, daß wir mehr Flexibilität erreichen.

Wie erklären Sie sich das Mißtrauen fast der gesamten Kulturszene gegenüber dem Reformprozeß?

Motschmann: Die Kulturszene war mit dem bisherigen System sehr unzufrieden. Jetzt sind wir dabei, über neue Modelle nachzudenken – das ist auch eine Form des Experimentierens –, und dann wehren sie sich auch und fangen an, sich nach dem alten System zu sehnen. Wir müssen einfach um Vertrauen werben. Ich kann natürlich verstehen, daß die Einrichtungen sagen „Gebt uns das Geld, aber redet uns nicht rein“. Das ist nachvollziehbar, aber im Augenblick des Haushaltsnotstandes nicht machbar.

Emigholz: Die Verunsicherung entsteht dadurch, daß dem Reformprozeß starke Sparanforderungen zugrunde liegen. Es ist verständlich, daß die sich erstmal bedroht fühlen. Aber es war ein riesiger Erfolg, über ein paar Jahre zusätzliches Geld bereitzustellen, um den Prozeß auf dem Status quo zu führen. Der richtige Kassensturz kommt zur Jahrtausendwende. Ich sage, man wird den Eckwert wieder aufstocken müssen.

Wird man?

Motschmann: Die Forderung würde ich sofort unterschreiben, wenn ich weiß, daß die Finanzen es hergeben.

Dann kann kein Kontrakt abgeschlossen werden mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren.

Motschmann: Schwierig ist es natürlich, längerfristig zu planen, wenn man nicht weiß, wie es mit der Sanierung weitergeht.

Emigholz: Man sollte trotzdem versuchen, Kontrakte über zwei bis vier Jahre abzuschließen. Und dann hat man um die Jahrtausendwende viel bessere Möglichkeiten, darüber zu reden, wie nun wirklich die Kassenlage ist.

Motschmann: Es wäre ja schon ein Fortschritt, wenn wir, wie beim Theater, über einen längeren Zeitraum einen finanziellen Rahmen stecken könnten. Selbst wenn wir eine Zusatzklausel hinzufügen müßten: „Unter einem Haushaltsvorbehalt“. Aber das wäre schon eine starke Verpflichtung für die Politik, weil so ein Kontrakt richtigerweise nicht gelöst werden sollte.

Gibt es in einem Jahr eine Orchester GmbH?

Emigholz: Hoffentlich nicht.

Motschmann: Das sehe ich auch nicht. Bisher hat mir niemand die Vorteile einer Orchester GmbH erklären können.

Fragen: Christoph Köster

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