„Freier Flug für freie BürgerInnen“?

■ betr.: „Grüne kämpfen tapfer ge gen jede Stimme“, „Flugverzicht und Politikverzicht“, Kommentar von Michael Rediske, taz vom 23.3. 98

[...] Ja, man muß ein Medienspektakel um das Saibold-Interview machen. Weil wir kulturkritische Wahrheiten nur im Feuilleton dulden bzw. genießen, aber nicht als Appell an politische und praktische Konsequenz. Weil wir, wie kürzlich Herr Kleinert in der taz, den neuen Club-of-Rome-Bericht mit Spannung lesen, Folgerungen daraus aber auf übermorgen verschieben. Die „Sonne der Wahrheit“ tagt uns später, jetzt nicht, jetzt sind wir in der Opposition, jetzt sind wir in der Regierung, jetzt sind Wahlen.

Es ist richtig, daß die Grünen am Vorabend der BT-Wahlen politisch klug agieren und unter allen Umständen die Frage sozialer Gerechtigkeit focussieren müssen. Politische Opportunität hat aber ihre Grenzen. Angesichts der veröffentlichten Meinung hieße sie in letzter Konsequenz, nichts mehr zu sagen, nicht an der gefährlichen Illusion des „Weiter so“, am dumpfen, trägen Common sense zu rühren. Das kann ja wohl nicht sein. [...] Andreas Herz, Braunschweig

[...] Sind die Sonntagsfahrverbote in den siebziger Jahren in den Augen dieser „UmweltpolitikerInnen“ Ökodiktatur? Sind die Grünen jetzt auf dem Niveau „Freier Flug für freie BürgerInnen“ angelangt? Ich dachte, die Grünen ständen für nachhaltiges Wirtschaften, Umwelt- und Klimaschutz, regionales Wirtschaften, soziale Gerechtigkeit, auch international.

Sind das alles nur schöne Ideen aus der Oppositionszeit, die – wie das die SPD vormacht – schnell in Vergessenheit geraten, wenn mensch regiert. Die Grünen sind auf dem besten Weg, ihren Ruf als die Partei mit der höchsten Kompetenz im Umweltschutz zu verlieren. Auch für sie gilt, wer so werden will wie die Konkurrenzparteien, der gewinnt nicht, sondern verliert an Profil. Im Zweifel wählen die Menschen dann doch lieber das wachstumsorientierte Original. Karl Amannsberger, Berlin

Tourismuspolitische Sprecherin wurde Halo Saibold nicht, weil in der bündnisgrünen Bundestagsfraktion alle irgendwie einen Titel brauchen, sondern weil die Fraktion beschlossen hat, daß Saibold in dieser Frage für die Fraktion sprechen soll. Vielleicht sollten sich auch Chefredakteure, wenn sie kommentieren, überlegen, ob das, was sie schreiben, so zutrifft... Thomas Berger, Bremen

[...] Wir fragen uns: Muß die taz Rücksicht nehmen auf ihre reisefreudige Klientel oder ist vielleicht die Strategie der neueren Anzeigenkunden so schnell schon aufgegangen?

Warum wird so unkritisch berichtet? Bestenfalls wird alles als bekannt vorausgesetzt – nehmen wir das mal an. Trotzdem, die taz darf sich nicht damit begnügen, den Grünen mangelnde Kommunikationsfähigkeit vorzuwerfen. Es ist Aufgabe eines jeden denkenden Menschen und besonders der Medien, Konzepte wie die Ökosteuerreform und den gesamten Themenkomplex Zukunftsfähigkeit, Süd-Nord-Konflikt usw. verständlich zu vermitteln. Die Verantwortung für unsere Zukunft tragen nicht die Grünen allein, nur weil sie sich mit diesen Themen befassen.

Warum gibt es kein Energie- Spezial oder Agenda21-Spezial oder ähnliches. Ist die Hanfproblematik um so vieles dringender, oder habt Ihr ob der vielen schwierigen Fragen schon resigniert und setzt voll auf Betäubung? [...] Henning Thomsen,

Patricia Bruhn, Hamburg

[...] Seid nicht Ihr es, die zu diesem Thema und zur Autofixiertheit unserer Bundesregierung kritische Berichte und Kommentare veröffentlicht? Mit Recht! Und jetzt, da endlich die Bündnisgrünen das Richtige fordern, so was?

Die beiden Anzeigen (Bundeswehr und Atomindustrie) habe ich ja noch zähneknirschend hingenommen, nach dem Motto „Geld stinkt nicht“. Aber nach den Kommentaren in der letzten Zeit kommen mir doch Zweifel, ob Ihr nicht doch vielleicht gekauft seid?

[...] Ich (als grüne Basis) stehe hinter diesen Forderungen und werde sie an den Ständen auch so vertreten. Ein Grund, warum ich bei den Grünen (wieder) eingetreten bin, war die Forderung nach einer konsequent ökologischen Politik, und dazu gehören ein deutlich höherer Benzinpreis und deutlich teurere Flüge. Philipp Horn, Karlsruhe

[...] Umweltschädliches Verhalten verteuern? Bild tschuldigung! taz kämpft für Sie. Über den Wolken muß die Schweinerei billig sein. Wer in Bangkok baden will (nichts dagegen zu sagen!) soll für die mit dem Flug einhergehenden Umweltkosten anteilsmäßig bezahlen. Wer sonst? Alle Lohnsteuerpflichtigen? Bahnkunden? Hans-Hermann Hirschelmann,

Berlin

[...] Lieber wäre mir ein Scheitern der verschröderten Realos an den „sturen dogmatischen Fundis“, die sich verantwortungsvoll verweigern, als daß die grüne Bewegung bedingungslos dem Crashkurs eines grünlackerten „Dienstleistungs-Turbokapitalismus“ untergeordnet wird. Ja, Herr Fischer und Co, daß mit der Widerspenstigen Zähmung habt Ihr Euch wohl etwas leichter vorgestellt! Richard Pestemer, Neunkirchen

Als aktiver Grüner kann ich nur feststellen, daß die Situation nicht treffender beschrieben werden kann als mit dieser einen Zeile. Dieter Rütten, Linsengericht

[...] Die Grünen stehen tatsächlich an einem Scheidepunkt: Will man die Macht an der Seite der SPD, ist Populismus angesagt. Will man seine Stammwähler behalten, muß man auch unpopuläre Dinge sagen. Die ehemaligen Wähler der Grünen in Schleswig-Holstein haben das erkannt: Sie haben lieber gleich das Original gewählt. [...] Detlef Pieske-Kontny, Berlin

[...] Alle bekannten Fakten sprechen für konsequente Bekämpfung des Luftverkehrs: Ein Flug nach San Francisco kostet pro Person etwa soviel wie im Jahr ein wenig umweltbewußter Autofahrer verbraucht. Aber die Umweltgifte von Flugzeugen gelangen direkt ins Ozonloch.

Fluglärm schädigt Zigtausende von Flughafenanwohnern. Dabei zahlen Flughäfen keine Grundsteuer, keinen Pfennig Mehrwertsteuer für internationale Flugscheine und keinen Pfennig Mineralölsteuer für Flugbenzin. Nach einer Untersuchung von Robin Wood sind nur 6,5 Prozent der Weltbevölkerung jemals geflogen, 93,5 Prozent müssen aber die Folgen tragen: Lärm und Emissionen. Deshalb Fluggäste im Bekanntenkreis outen, brandmarken und teeren und – federn, damit sie selber fliegen können. Hartmut Bernecker,

Bietigheim-Bissingen