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„Gleichbehandlung in jedem Fall“

■ Bündnisgrüne debattieren auf einem Ratschlag über Einwanderungs- und Asylpolitik. Partei diskutiert eine Kampagne gegen die Abschiebung straffälliger Nichtdeutscher

„So weit sind wir schon: Die CDU fordert die Todesstrafe für ausländische Straftäter und körperliche Züchtigung – ich sage im übrigen Folter dazu.“ Traudl Vorbrodt, langjährige Aktivistin im Flüchtlingsrat, ist empört über Neuköllns Bürgermeister Bodo Manegold (CDU). Dieser hatte am Mittwoch abend in der Bezirksverordnetenversammlung gesagt, für Dealer wäre „Kopf kürzer“ angebracht, wenn die Gesetze des Korans auch in Berlin gelten würden. Manegold dachte auch laut über „körperliche Züchtigung“ von Rauschgifthändlern nach.

Vorbrodt war eine der ExpertInnen, die gestern bei einem Ratschlag im Abgeordnetenhaus über die Perspektiven bündnisgrüner Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik diskutierten. Neben Fragen des Umgangs mit minderjährigen Flüchtlingen und der geplanten Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes wurde auch die Abschiebung straffällig gewordener Nichtdeutscher thematisiert.

„Ausländer, die hier geboren und aufgewachsen sind, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben, müssen mit Deutschen gleichbehandelt werden“, forderte der ausländerpolitische Sprecher der grünen Fraktion, Ismail Kosan. „Sie dürfen auch bei Straftaten nicht abgeschoben werden.“ Bei den Grünen werde nun diskutiert, ob man gegen die Abschiebungen eine Kampagne starten solle, „wie die zur doppelten Staatsbürgerschaft“. Doch diese Forderung ist umstritten. Vielleicht sei es ein sinnvoller erster Schritt, die hier Geborenen auszunehmen, sagte Norbert Schellberg, der rechtspolitische Sprecher.

„Das ist doch genau die Salamitaktik unserer Gegner“, kritisierte Hans-Peter Hauschild von der Aktion Jericho. Auf Diskussionen über Delikte, Alter oder Geburtsorte dürfe man sich nicht einlassen. Bei den Straffälligen zwischen Deutschen und Nichtdeutschen zu unterscheiden, „verlängert die Blut-und-Boden-Mentalität des hiesigen Staatsbürgerrechts“. Die Aktion Jericho, ein breites Bündnis von der katholischen Kirche bis zur Aids-Hilfe, organisiert Mitte Mai in Berlin einen bundesweiten „Kongreß gegen Abschiebung aus und nach der Haft“. Ziel sei, so Hauschild, „die Illegalisierung und Kriminalisierung der Nichtdeutschen zurückzudrängen“.

Die Abschiebung straffälliger Nichtdeutscher steht seit der Verschärfung des Ausländergesetzes Ende des vergangenen Jahres noch schneller an. Wer zu mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wird oder sich bestimmter Delikte wie Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig macht, fliegt raus; egal ob er hier geboren oder seit 20 Jahren hier ist, PartnerIn oder Kinder hier hat. Diese Doppelbestrafung kritisiert der Flüchtlingsrat seit langem. Hinzu kommt eine andere: „Da wird jemand in den Libanon abgeschoben“, so Vorbrodt, „und dort noch einmal wegen desselben Rauschgiftdelikts verhaftet.“ Sabine am Orde

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