: Bankenmacht bleibt unberührt
Macht-der-Banken-Gesetz der Koalition passiert mit Stimmen der SPD-Länder den Bundesrat. Gerhard Schröder setzt sich gegen SPD-Bankenkritiker durch ■ Von Hermannus Pfeiffer
Hamburg (taz) – „Deutsche Banker – sind des Stahlarbeiters Henker!“ stand auf einem Plakat zu lesen, als im März des vergangenen Jahres Zehntausende Stahlwerker durch „Bankfurt“ demonstrierten. Ihr Unmut richtete sich gegen die Deutsche Bank und deren Krupp-Thyssen-Fusion. Längst vergessen war dieser Metallerprotest, als gestern im Bundesrat über das Macht-der- Banken-Gesetz der Bundesregierung abgestimmt wurde. Trotz zuvor anderslautender Abstimmungsergebnisse in den Wirtschafts- und Rechtsausschüssen billigte nun die Bundesratsmehrheit überraschend das Gesetz. Schon im Vorfeld hatte das Land Niedersachsen deutlich gemacht, daß es für den Kohlschen Regierungsentwurf stimmen werde, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium in Hannover. Die bankkritischen SPD-Länder scheinen sich gebeugt zu haben, um im Vorfeld der Bundestagswahl hinreichende Einheit zu demonstrieren.
Unter dem Eindruck der Proletarierproteste hatte die Regierung ihren Gesetzentwurf von der Tagesordnung des Bundestages gestrichen. Zwölf Monate später schien die Zeit gekommen: Mit den Stimmen der Koalition wurde das sogenannte Kontra-Gesetz verabschiedet („Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“). Gleichzeitig stimmte die Koalition weitergehende Vorschläge von Bundesrat, Grünen und SPD nieder. Doch Thomas Schmidt, Sprecher des möglichen SPD-Wirtschaftsministers Bury, verspricht für den Nachwahlherbst: „Das Thema bleibt auf dem Tisch!“ Bis dahin bleibt es, wie es war: Wie bisher darf eine Person bis zu zehn Aufsichtsratsmandate wahrnehmen, wie bisher können die Großbanken mit den Depotstimmen ihrer Kundschaft die Wirtschaft dominieren, und wie bisher dürfen Kreditinstitute Aktien von Industriekonzernen auf eigene Rechnung kaufen. Auch wie bisher darf die Deutsche Bank mit der Automobil- oder Chemieindustrie branchenweit und überkreuz verflochten bleiben. Immerhin bringt Kontra, neben einigen für die Machtpraxis unerheblichen Einschränkungen, ein wenig Einsicht: Künftig müssen alle anderen Aufsichtsratsmandate der Kandidaten bekanntgemacht werden. „Die einjährige Verzögerung hat die Regierung genutzt, um ihren ohnehin bankzahmen Gesetzentwurf nochmals durch einen Weichspüler zu ziehen“, sagt ein Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik in Bremen. Eine effiziente Kontrolle durch Aufsichtsräte bleibe unmöglich.
Unberührt läßt das Kontra-Gesetz die eigentliche Basis der Finanzmacht, das weltweit nahezu einmalige Universalbank-System: Es erlaubt fast alles – vom Kleinkredit bis zur Einführung der Telekom-Aktie, vom Bausparen bis zur Gründung eines Investmentfonds. Der hiesige Sonderstatus sowie steuerliche und bilanzrechtliche Ausnahmen haben es deutschen Großbanken erlaubt, in nur zwei Jahrzehnten vom unbeachteten, mickrigen Filius zu einem führenden Global Player heranzuwachsen. Heute operieren die deutschen „Top 5“ in allerhöchsten Sphären: Ihre gemeinsame Bilanzsumme ist genauso hoch wie das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt von 3,6 Billionen DM!
Das deutsche Universalbank-System hat zudem eine besonders innige Verflechtung der Geldgiganten mit der Industrie hervorgebracht, bestehend aus Kredit und Finanzmanagement, personellem Netzwerk, Aktien und Depotstimmen. Im Ergebnis regieren die Großbanken auf den Hauptversammlungen und bestimmen nach ihrem Gusto Aufsichtsräte und Vorstände in Industrie und Handel. Euro-Ankläger Wilhelm Hankel klagt deswegen über Kontra: „Ein echter Volkskapitalismus kann sich unter dem Regime der Universalbank nicht entwickeln!“ Millionen Geldsparer hätten keine Chance, reale Vermögensbesitzer „ihrer“ Volkswirtschaft zu werden, sagt der unbequeme Wirtschaftsprofessor gegenüber der taz.
„Ich sehe Bankenmacht positiv“, äußerte hingegen Niedersachsens Staatssekretär Tacke, einer der engsten Berater Gerhard Schröders, kürzlich im Hamburger Abendblatt. Die Macht der US-Investmentfonds über die Unternehmenspolitik führe laut Tacke zu Shareholder-Value und kurzfristiger Geschäftspolitik. Nur: In Deutschland gehören die Investmentgesellschaften – ihr Fondsvolumen übersprang erstmals die Rekordmarke von einer Billion Mark – ohnehin den großen Banken.
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