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Zerstörung nach Plan

BodendenkmalpflegerInnen graben Mühle von 1527 aus. Auf dem Grundstück soll ein Bürohaus entstehen  ■ Von Lutz Reinhard

„Wir nennen sowas Notbergung“erklärt Grabungsleiter Dirk Bückling. „Die wird immer dann nötig, wenn durch Neubebauung die Reste von alten Gebäuden gefährdet sind.“So wie bei der Harburger Schloßmühle: Seit dem 24. Februar gräbt die Abteilung Bodendenkmalpflege des Helms-Museums im Harburger Binnenhafen das Fundament der 1527 erbauten Mühle aus. Auf dem Grundstück soll am 15. Mai ein Bürohaus errichtet werden.

„Wir müssen bis zum Beginn der Bauarbeiten hier fertig sein, denn dann wird alles endgültig zerstört“, berichtet Bückling. „Das ist schon manchmal etwas frustrierend, aber man gewöhnt sich daran“. Das Ziel seiner Arbeit ist kein Ab- und späterer Wiederaufbau, sondern die „Die Möglichkeit einer späteren Rekonstruktion, indem wir alles vermessen, zeichnen und fotografieren. Was wir machen ist immer eine geplante Zerstörung der ausgegrabenen Objekte.“Anhand der gewonnenen Daten kann die Mühle jedoch später im „Hamburger Museum für Archäologie und die Geschichte Harburgs“, kurz: im Helms-Museum, graphisch rekonstruiert werden. Aufbewahrt werden nur die kleineren Fundstücke wie verschiedene Werkzeuge oder Gefäße.

Mit der Mühle wird das richtige Objekt zum passenden Zeitpunkt ausgebuddelt: Der Gründer des Helms-Museums, der Harburger Mühlenkaufmann und Senator August Helms, war von 1897 bis zu seinem Tod 1920 Besitzer der Mühle. In diesem Jahr feiert das Museum seinen hundertsten Geburtstag.

Eifrig vermißt Dirk Bückling den Ausgrabungsort, während Carola Sachs Zeichnungen des Bodens anfertigt und Elke Kisse, Anja Großmann und Julia Krause mit Schaufeln und Besen die alten Mauern aus freilegen. Die vier gehören zu den elf Archäologie- oder RestaurationsstudentInnen, die mit der Ausgrabung die Finanzierung ihres Studiums mit studienverwandter Arbeit verbinden.

Froh über die Ausgrabungen ist auch Elke Först, die Leiterin der Bodendenkmalpflege. Von der Grundstücksbesitzerin HWE sei man „ zum Glück rechtzeitig über die Bebauungspläne benachrichtigt worden“, sagt sie. „Das ist nicht immer so der Fall.“Erst 1971 war die Mühle abgerissen worden, als eine Verbindungsstraße im Binnenhafen gebaut wurde. Jetz befindet sich auf dem Mühlen-Grundstück ein Parkplatz, und da ein Teil der Mühle unter der Straße liegt, kann nicht alles ausgegraben werden. Trotzdem hofft Först, bei den mehr als drei Meter tiefen Ausgrabungen „die weitgehend noch unbekannte Geschichte der ehemals herrschaftlichen Mühle zu klären.“

Die Hamburgischen Electricitäts Werke unterstützen das Projekt zwar finanziell, aber die 41jährige bedauert trotzdem, daß in Hamburg, wie in den meisten alten Bundesländern, nicht das Verursacherprinzip gilt. Dieses Prinzip verlangt von Investoren, die auf historischem Boden bauen wollen, einen Zuschuß zu den Ausgrabungen – abhängig vom Gesamtvolumen des Projekts. „Das würde unsere Arbeit bei anderen Projekten erheblich vereinfachen und die Möglichkeiten der Bodendenkmalpflege verbessern.“

Aufgrund des Zeitdrucks ist es leider nicht möglich, die Ausgrabungsstätte zu besichtigen.

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