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KommentarLernunfähig

■ Mit Judi Buenoano wurde gestern in Florida erneut eine Frau hingerichtet

Dieses Mal drängelten sich keine ReporterInnen vor dem Gefängnistor, blockierten keine Kamerateams aus aller Welt die Zufahrtsstraßen. Dieses Mal nahm sich kein prominenter TV-Prediger ihres Schicksals an, und kein Fernsehsender übertrug die letzten Gebete der Todeskandidatin in die Wohnzimmerstuben. Der sorgfältig geplante Tod von Judi Buenoano im US- Bundesstaat Florida hatte keinen Neuigkeitswert. Daß in den USA auch Frauen hingerichtet werden, ist seit der Exekution von Karla Faye Tucker zu Beginn dieses Jahres in Texas ein Fakt – und damit weitgehend akzeptiert.

Die Erkenntnis ist ebenso alt wie bitter: Jede noch so aufrührende Berichterstattung trägt immer auch zur Normalisierung des Ereignisses bei, das sie zuvor skandalisiert hat. Im Fall der Todesstrafe in den USA hat dieser Mechanismus eine besonders perverse Dynamik entwickelt. Aufsehen erregen nur noch TodeskandidatInnen, deren Fälle „anormale“ Eigenheiten aufweisen: weil sie minderjährig oder geistig behindert sind, weil sie sich „freiwillig“ exekutieren lassen wollen, weil der betreffende Bundesstaat den „altmodischen“ Galgen der „modernen“ Spritze vorzieht – oder weil an der Schuld des Verurteilten offensichtliche Zweifel bestehen.

Die Tragik der Anti-Todesstrafen-Bewegung besteht bislang darin, daß sie mit keiner dieser zyklischen Aufwallungen in den Medien eine grundsätzliche gesellschaftliche Debatte auszulösen vermochte – eine Debatte über die Anmaßung des Staates, einzelne seiner BürgerInnen nach einem absolut willkürlichen Auswahlverfahren vorsätzlich zu töten. Nicht einmal die mögliche oder nachgewiesene Unschuld eines Verurteilten kann jenes kollektive Erschrecken hervorrufen, das wenigstens ein vorübergehendes Aussetzen des Vollzugs der Todesstrafe nach sich ziehen würde. Daran wird sich nichts ändern, solange sich Gouverneure, Richter, Staatsanwälte und Geschworene einem gesellschaftlichen Rachebedürfnis stärker verpflichtet fühlen als rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Einige entblöden sich nicht, es als ein Zeichen der fortschreitenden Emanzipation zu werten, daß nun auch Frauen Opfer dieser Rache werden. Gleichberechtigt war Judi Buenoano allerdings: Ebensowenig wie alle männlichen Todeskandidaten hatte sie kein Geld für einen guten Anwalt gehabt. Andrea Böhm

Bericht Seite 4

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