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„Is' doch Doofheit“

Wenn der Postauto-Auktionator klingelt, ist nur selten ein fahrbarer Untersatz dabei  ■ Von Lisa Schönemann

„Irgendwie gefällt mir das heute gar nicht“, flucht Heiner Lührs und fummelt an den Knöpfen seines Megaphons herum, das in der Tat grauenvolle Laute von sich gibt. Als der 39jährige Post-Auktionator die Tröte wieder zum Leben erweckt hat, ruft er das nächste Traumauto auf: Ein schmuddeliger gelber Golf mit einem „leichten Kupplungsschaden“steht zum Verkauf. „Meine Damen und Herren, ich erwarte Ihr Gebot.“

„Den würde ich nicht geschenkt nehmen“, brummelt der bäuchige Kfz-Meister einer Glinder Autoverwertung seinem langhaarigen Kollegen mit Lederweste ins Ohr. 200 Männer, eine Handvoll Frauen, zwei Kinder und ein Hund frösteln an diesem Morgen zwischen 69 angerosteten Blechkisten auf einem Bergedorfer Parkplatz vor sich hin. In der Mitte hat der Versteigerer auf einem Elektrokarren Position bezogen und preist die ausrangierten Postzustellerwagen mit knappen Worten an. Der Golf geht an zwei strahlende, blonde Dänen mit Goldkettchen, die für das TÜV-fällige Gefährt allen Ernstes 2300 Mark berappen wollen.

Der Herr aus Glinde tippt sich an die Stirn. Die meisten Leute wüßten nicht, was sie sich antun. Man kann die im Schnitt acht Jahre alten Wagen, die durch die Bank über 100.000 Kilometer gelaufen haben, nur von außen begutachten. „Wenn Sie Pech haben, reißt Ihnen nach einer Woche der Steuerriemen, und die Maschine ist platt“, warnt der Meister, „dann war es ein kurzer Spaß.“Nebenbei hebt er den Arm für das nächste Gebot – 1300 Mark für einen VW – und bekommt prompt den Zuschlag. „Huch, welchen haben wir denn jetzt gekauft?“

Sein Kollege deutet amüsiert auf einen zehn Jahre alten Golf, dem das rechte Hinterrad fehlt. Die Stoßdämpfer sind bestimmt auch hinüber. „Den laden wir mit dem Kran auf, da kannste dich ja nicht reinsetzen“, beschließen die beiden, „wäre ja lebensgefährlich“. Für die Autoverwerter spielt der Zustand der Wagen keine Rolle. Sie wollen die Rostlauben ohnehin nur ausschlachten.

Innerhalb von einer halben Stunde wechseln 20 Volkswagen den Besitzer – mit und ohne Fahrertür, Frontscheibe oder Zündschloß. Ein junger Mann mit gepflegten Händen ersteht glücklich den 21. überteuerten Golf. Ob er jemals unter einem Auto gelegen hat? „Is' doch die reine Doofheit“, urteilen die Profis. Bislang, sagt der Organisator Erwin Peters von der Deutschen Post AG, seien sie noch jeden Wagen losgeworden, und ärgert sich darüber, daß er keine Provision bekommt.

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