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„Oben muß Luft sein – für den Samen“

Ein Parcours für SchülerInnen rund um Kondome, Sex, Liebe und Aids  ■ Von Lutz Reinhard

„Da kommt man ja nicht mit Sperma in Berührung! Dann kann ja auch nichts passieren – oder?“Allzu sicher ist sich die 14jährige Tina nicht. Steckt man sich beim Kuscheln nun mit dem HIV-Virus an? Nein, lautet die einhellige Meinung ihrer MitschülerInnen. Eine andere Karikatur auf der Stellwand zeigt zwei Menschen, die anal Sex treiben. „Ohne Kondom macht das Aids“, sagt Tom.

Im Singsaal der Grund-, Haupt- und Realschule an der Griesstraße, Ecke Marienthaler Straße trafen sich gestern kleinere Gruppen von Schülerinnen und Schülern der 8. bis 10. Klassen zum Mitmach-Parcours rund um die Themen Aids, Liebe und Sexualität. So mancher von ihnen hat schon eine Menge Ahnung. Andere, wie Tina, sind sich nicht immer so sicher. Ziel der Aktion, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung organisiert wurde, ist es denn auch, „das individuelle Wissen der Schüler über Aids und den HIV-Virus zu erweitern“, erläutert Matthias Weickert von der Hamburger Gesundheitsbehörde.

Ein Stück weiter demonstriert ein älterer Schüler gerade, wie ein Kondom aufgezogen wird. Marie streckt zwei Finger in die Höhe, darüber wird das Gummi abgerollt. „Da muß man vorsichtig sein mit den Fingernägeln“, weiß ein Mitschüler. Und ein anderer ergänzt: „Oben muß noch Luft drin sein, für den Samen!“Ernsthaft sind alle bei der Sache. Niemand kichert, niemand druckst verlegen herum.

Schulleiter Hans-Michael Herold ist denn auch stolz auf das Problembewußtsein seiner SchülerInnen: „Wir versuchen hier an der Schule ganz bewußt, Gesundheitsförderung zu betreiben“, sagt er, „uns geht es darum, daß die Schüler einen gesundheitsbewußten Lebensstil entwickeln.“Außerdem würden SchülerInnen schon früh verantwortliche Aufgaben in der Schule übertragen.

Beim Mitmach-Parcours etwa sorgen SchülerInnen als ModeratorInnen dafür, daß es an jeder Parcoursstation zur Diskussion kommt. „Dadurch wird ein ganz anderes Verhältnis zwischen Informant und Informiertem geschaffen“, meint Eckhard Spethmann, Lehrer an der Grund-, Haupt- und Realschule. „Das ist natürlich anders, als wenn die Schüler alles von uns erklärt bekämen.“

„Den meisten macht es viel Spaß“, weiß die 16jährige Natalia, die als Moderatorin am Parcours steht. „Einige sind schon sehr gut aufgeklärt“, hat sie beobachtet, „andere noch überhaupt nicht.“Durmus, der in der Türkei geboren wurde, weiß, warum das bei einem Teil seiner Mitschüler so ist: „Für viele Jugendliche aus islamischen Ländern ist es ein Problem, über Sexualität und Aids zu sprechen.“Dahinter stecke oft das Elternhaus. „Darum besteht gerade bei denen ein großer Informationsbedarf.“

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