piwik no script img

Schulsprecher wird Klassenkasper

Hey, das ist doch mal voll o.k., Mann: Die ARD-Unterhaltung nimmt dem ZDF das Jugendlichste, was sie haben und dann noch für die allerälteste Sendung!  ■ Von René Martens

Die ARD wird sich bestimmt eine Menge dabei gedacht haben, als sie als Location für eine Pressekonferenz zu ihrer Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ den Gastronomie-Sektor des Hamburgischen Museums für Geschichte auswählte und diesen dann etwas halbherzig auf Sauna-Temperatur brachte. Nur was bloß: Wollte sie den Medienvertretern damit andeuten, daß es sich um eine Veranstaltung mit historischem Charakter handelt? Daß „Verstehen Sie Spaß?“ bereits ein museumsreifes Alter erreicht hat? Oder daß das Thema der Pressekonferenz so verdammt heiß ist?

Seine wesentliche Botschaft überbrachte der Sender dann innerhalb weniger Sekunden: Cherno Jobatey, bisher Moderator des „ZDF-Morgenmagazins“ respektive laut Eigeneinschätzung „Frühstücksdirektor von Deutschland“, darf jetzt auch am Samstagabend ran. Er wird neuer Showmaster bei den Spielchen mit der versteckten Kamera. Das gönnen wir ihm, denn der designierte Stellvertreter Roberto Blancos auf Erden hat schließlich lange darauf hingearbeitet.

Sonst passierte aber leider – fast nichts: Jobatey stand grinsend auf einer Bühne, eingerahmt von einigen eingeflogenen ARD-Apparatschiks, die wie hüftsteife Schaufensterpuppen wirkten. Ein Apparatschik war fürs Pastorale zuständig. Er gab zum Beispiel bekannt, daß Jobatey die Menschen kenne und die Menschen möge – als ob Shows gewöhnlich von misanthropischen Eremiten moderiert würden. Die anderen Apparatschiks versuchten sich als Marktschreier; da war von Unterhaltungsoffensive die Rede, vom Wiederbeleben alter Tugenden, von Kraft und Vielfalt. Jobatey, vorgestellt als ein in Berlin lebender Pommes-frites- Liebhaber, fühlte sich bei dieser Chose nicht so recht wohl und versuchte die Szenerie aufzulockern, indem er sein Honorar bei „gehobenem Bafög-Satz“ ansiedelte – übrigens ein ausreichend schockierendes Beispiel für seinen Humor. So erinnerte die Veranstaltung eher an eine Vorstellung von Schulsprecherkandidaten in einem biederen bayerischen Gymnasium.

Die behäbige Inszenierung paßt perfekt zu „Verstehen Sie Spaß?“, symbolisiert die Geschichte der Sendung doch die notorische Krise der ARD-Unterhaltung. Die Show startete 1980 und lief immerhin zehn Jahre lang unter der Moderation von Paola und Kurt Felix. Doch anstatt das längst ausgereizte Format danach endlich ruhen zu lassen, wurde die Show im Laufe der 90er Jahre bereits zweimal wieder aufgewärmt: zunächst mit Harald Schmidt und in den letzten beiden Jahren mit Dieter Hallervorden. Weil die ARD glaubt, es lachten immer noch ein paar Menschen da draußen, wenn anderen Menschen minutiös inszenierte Mißgeschicke passieren oder sie in Kleinstkatastrophen geraten, soll jetzt Jobatey, das role model des ewigen Klassenkaspers, den dritten Relaunch über die Bühne bringen. Als er das Angebot bekommen habe, die Show zu moderieren, sei das für ihn wie „ein Anruf aus Hollywood“ gewesen. Das kann man einem passionierten Pommes-frites-Esser aus Berlin durchaus glauben.

Eine bei der Veranstaltung anwesende Kollegin mutmaßte, Jobatey könne eine „richtige Bereicherung“ für die ARD werden – aufgrund seiner „lockeren Sprache“. Tatsächlich sind „hey“, „okay“ und „Mann“ die Lieblingsformulierungen des 32jährigen, und er verwendet sie auch gern alle in einem Satz. Dieses Jahr wird er in drei Sendungen die Möglichkeit haben, den Samstagabend-Glotzern diese vermeintliche Jugendsprache beizubringen. Für 1999 sind dann sechs Shows vorgesehen. Sendestart der Neuauflage von „Verstehen Sie Spaß?“ ist am 19.September, und das hat bestimmt einen politischen Hintergrund. So kann man sich kurz vor der Bundestagswahl noch ein ordentliches Maß an Schadenfreude antrainieren. René Martens

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen