piwik no script img

"Ich rechne mir Chancen aus"

■ Die Bundestagswahl entscheidet auch über das Schicksal der PDS in Berlin, sagt PDS-Landesvorsitzende Petra Pau. Nach dem Rückzug von Admiral Schmähling tritt sie nun in Mitte/Prenzlauer Berg an

taz: Wie fühlt man sich so als Notnagel?

Petra Pau: Ich trete als Landesvorsitzende der PDS an. Zugegebenermaßen in einer schwierigen Situation, in die die PDS sich selbst gebracht hat; aber ich will mit dieser Kandidatur unterstreichen, daß wir den Wahlkreis – wie überhaupt Berlin – nicht aufgegeben haben.

Aber die schwierige Situation ist nicht neu. Warum sind Sie denn nicht schon eher eingesprungen? Sie galten ja immerhin als Wunschkandidatin im Bezirk.

Ich hatte sehr gute Gründe, mich auf Berlin zu konzentrieren...

Welche?

Erstens geht es hier nach wie vor darum, die Große Koalition möglichst schnell zu beenden. Ich hatte vor, das ist ja kein Geheimnis, die PDS als Spitzenkandidatin in vorgezogene Abgeordnetenhauswahlen zu führen. Zum zweiten haben wir uns in Berlin sehr ehrgeizige Projekte vorgenommen. Jetzt stellt sich die Frage, wie wir in den Bundestag einziehen. Die Wahlen werden entweder in Berlin gewonnen oder verloren für die PDS. Wenn das Signal käme, daß sich die PDS auf Bundesebene abmeldet, hätten wir auch in dieser spannenden Stadt weniger Chancen.

Hatte das Zögern auch damit zu tun, daß Sie vorab vom Bundesvorstand demontiert wurden?

Es sind eine Menge Dinge gelaufen, die weh tun. Das hatte aber nichts mit meiner Entscheidung zu tun, nicht anzutreten. Diese Entscheidung – gemeinsam nach einer anderen Kandidatin zu suchen – habe ich im vergangenen Sommer in Abstimmung mit dem Landesvorstand getroffen.

Was war denn der Grund für Schmählings Rückzug – Ärger in der eigenen Partei oder die Reaktion der Öffentlichkeit auf seine Kandidatur?

Hier ist bei der Kandidatenfindung und bei der Prüfung der Chancen nicht gründlich genug vorgegangen worden. Schade ist, daß die Person von Elmar Schmähling durch die PDS beschädigt wurde. Auf seinem Rücken wurden innerparteiliche Probleme ausgetragen. Vor allem wurde aber unterschätzt, wie weit überhaupt die juristische Auseinandersetzung um seinen Firmenkonkurs das politische Wirken Schmählings blockiert. Seine politische Botschaft konnte nicht vermittelt werden, sie wurde durch die Betrugsvorwürfe, die Art der Ermittlungen und der öffentlichen Auseinandersetzung überdeckt.

Lag die Schwierigkeit nicht auch darin, daß seine Botschaft sehr rückwärtsgewandt war?

Ich finde es schon sehr vorwärtsgewandt, wenn sich jemand für die Abschaffung aller Geheimdienste einsetzt – noch dazu aus eigener Erfahrung. Oder seine Position zur Militarisierung des öffentlichen Raumes. Nicht ich, sondern die CDU in Person von Generalsekretär Hintze hat schließlich den „Kampf um Berlin“ ausgerufen – und das mit der Einführung militärischer Machtdemonstrationen wie öffentlicher Gelöbnisse unterstrichen. Gegen dieses Konzept wäre Elmar Schmähling sehr wohl ein Gegenkandidat gewesen.

Sowohl die Schwierigkeiten, einen geeigneten Kandidaten zu finden, erst recht aber der Rückzug von Schmähling spiegelt die Probleme der PDS als Bundespartei. Ist die PDS noch zu retten?

Natürlich hoffe ich, daß Erkenntnisse, die man auf so schmerzhaftem Wege gewinnen mußte, sich auch ganz tief festsetzen für die Zukunft. Wir sind nicht mehr im Jahr 1990 oder 1994: Die Basis ist aus gutem Grund selbstbewußter geworden. Und ich denke, es war falsch, auf dem Bundesparteitag den Beschluß zu fassen, eine Findungskommission zu beauftragen. Das kann dieser Kommission nicht angelastet werden, das muß sich die PDS insgesamt auf den Zettel schreiben.

Das heißt, die innerparteiliche Demokratie ist noch immer unterentwickelt?

Sie ist einerseits da, und sie setzt sich auch durch. Aber eine große Mehrheit auf dem Parteitag hat darauf gesetzt, die Verantwortung zu delegieren.

Wie wollen Sie denn den WählerInnen in Mitte und Prenzlauer Berg das Hickhack um die KandidatIn erklären?

Da hilft nur Ehrlichkeit. Ich werde den WählerInnen erklären, daß sie eben nicht nur das Symbol dafür sind, wie sich die Verfaßtheit der Republik entscheidet. Mein Ausgangspunkt ist, daß hier 220.000 Menschen ihren Lebensort haben. Es geht darum, wie diese zu Arbeit kommen, beziehungsweise zu behalten, was es heißt, in diesen Bezirken zu leben, zur Schule zu gehen.

Sind Sie denn nun eigentlich die Kandidatin, die die selbstgestellten Anforderungen für diesen Wahlkreis – Ost- wie Westbiographien anzusprechen – erfüllt?

Das wird sich am Ergebnis zeigen. Wir werden hier keinen Ostwahlkampf führen. Und ich rechne mir durchaus Chancen aus.

Was verbindet Sie denn mit Mitte und Prenzlauer Berg?

Ich habe selbst sehr lange in Prenzlauer Berg gewohnt, zu einer Zeit, als noch mehr Wasser aus den Wänden als aus dem Wasserhahn kam. Ich habe hier an einer Schule unterrichtet und treffe heute meine ehemaligen Schüler auf der Straße, die inzwischen selbst Kinder haben. Und schließlich ist mein Arbeitsplatz ja mittendrin. Für mich ist wichtig, daß sich hier die Veränderung der Bundesrepublik exemplarisch abzeichnet, so unterschiedlich die beiden Bezirke sind.

Aber Hand aufs Herz – hat die PDS den Wahlkreis nicht doch längst abgeschrieben?

Wenn ich mich in diesem Wahlkampf stelle, dann gehe ich mit dem vollen Risiko als Landesvorsitzende rein. Ich habe ihn nicht aufgegeben, sonst würde ich so etwas nicht tun.

Mit welchen Themen wollen Sie denn gewinnen?

Unser Wahlprogramm, das wir am Wochenende beschließen wollen, ist überschrieben: „Für eine gerechte Republik“. Die soziale Frage steht im Mittelpunkt. Gerade hier in Berlin geht es um die Lebensverhältnisse der Menschen. Dabei geht es nicht nur um so symbolische Projekte wie die Kulturbrauerei und die Zurichtung des Bezirkes.

An Ihrer Kandidatur entscheidet sich möglicherweise, ob die PDS den Sprung in den Bundestag wieder schafft...

In Berlin entscheidet sich das...

Heißt das, man hat die Wahlkreise in Rostock, Schwerin, Cottbus oder Potsdam aufgegeben?

Nein. Aber wenn wir es nicht schaffen, hier die Gewißheit zu erzeugen, daß die PDS wählbar ist und in den Bundestag einzieht, hat das auch Auswirkungen auf die anderen Wahlkreise, da brauchen wir uns nichts vorzumachen.

Und was, wenn die PDS im September nicht mehr in den Bundestag einzieht?

Das zu denken verbietet sich für mich. Zweifel sind zwar erlaubt, aber wir werden es schaffen.

Interview: Barbara Junge

und Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen