In Passau wird nicht abgetrieben

■ Seit Jahren darf an den Kliniken des niederbayerischen Landkreises nicht abgetrieben werden. Daran ändern auch die Grünen nichts

Berlin (taz) – Der brisanteste Punkt war der letzte: In einer eigenen Abteilung für Geburtsmedizin im Klinikum Passau sollen Abtreibungen vorgenommen, zumindest aber geduldet werden. Das verlangten die Passauer Grünen in einem Antrag an den Stadtrat. Ihr Begehren wurde in der letzten Woche von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Die Stadt Passau bleibt weiterhin abtreibungsfrei.

Mit dem Abtreibungsverbot schmückt sich der CSU-regierte Landkreis schon seit zwölf Jahren. Von 1986 stammt ein Kreistagsbeschluß, der den Krankenhäusern in den ländlichen Gemeinden rund um Passau Schwangerschaftsabbrüche ausdrücklich untersagt, außer nach einer medizinischen Indikation, also bei Gefahr für das Leben der Schwangeren. Das Verbot haben die drei verbliebenen Kreiskrankenhäuser erst im Juli des vergangenen Jahres in eigener Regie erneuert: Der gemeinsame Verwaltungsrat der Kliniken in Vilshofen, Rotthalmünster und Wegscheid beschloß, „die Tätigkeitsfelder der drei Häuser nicht um die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu erweitern“.

Nun ist es keineswegs so, daß die Antragstellerin und Stadträtin der Grünen in Passau, Erika Träger, naiv wäre oder die Lage in Passau und um Passau herum verkennen würde. Im Gegenteil, die Pro- Familia-Beraterin setzt sich in der niederbayerischen Region seit Jahren für feministische Forderungen ein. Und auch diesmal hatte sie es nicht ungeschickt angefangen. Zum Anlaß genommen für ihren Vorstoß hatte sie Berichte über Engpässe auf der geburtshilflichen Station des Passauer Klinikums. Immer mehr Frauen müssen zur Entbindung nach Passau, nachdem zwei Kreiskrankenhäuser geschlossen wurden. Wöchnerinnen hatten sich beschwert über Bettenknappheit, allzu schnelle Entlassungen nach einem Kaiserschnitt und gehetztes Personal.

Abhilfe täte not, erklärten die Grünen, und deren Stadträtin Träger schlug dem Klinikum und der Stadt ein Konzept vor, nach dem Gynäkologie und Geburtshilfe künftig getrennt unter jeweils eigener Leitung eine angemessene Versorgung der Frauen leisten könnten. Zu dieser gehöre auch, Abtreibungen durchzuführen, da das Bundesgesetz schließlich seit 1992 ein flächendeckendes Angebot an stationären und ambulanten Einrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche vorschreibe.

Nun liegen aber Gynäkologie und Geburtshilfe am Passauer Klinikum seit Jahren in einer Hand, und zwar in der des Mediziners Professor Hermann Becker, einem bekennenden Abtreibungsgegner, „der den Schwarzen natürlich näher steht als den Grünen“, wie die Passauer FDP-Stadträtin Ingrid Splitgerber spitz formuliert. Persönlich ist das dem Gynäkologen nicht vorzuwerfen. Auch die Grünen erkennen an, daß Becker lediglich von seinem ärztlichen Weigerungsrecht Gebrauch macht. Unter seiner Leitung jedoch nimmt auch kein anderer Arzt am Passauer Klinikum eine Abtreibung vor. Eben deshalb wollten die Grünen eine neue geburtsmedizinische Abteilung mit eigener Leitung etablieren.

Nach dem gescheiterten Vorstoß der Grünen, kann sich Erika Träger nun wieder beruflich mit den Passauer Verhältnissen befassen: Dem Pro-Familia-Büro verweigert die niederbayerische Bezirksregierung die Anerkennung als Schwangeren-Beratungsstelle. Pro Familia muß die Frauen zur Caritas oder ins Gesundheitsamt weiterschicken. Erst dort bekommen sie den Schein – und können dann nach München oder Nürnberg fahren: Denn in Passau wird nicht abgetrieben. Bettina Markmeyer