: Ein nettes Weichei
■ Neu im Kino: „Härtetest“von Janek Rieke
„Mann oder Maus“, wird der Held des Films gleich zu Beginn des Films in einer kritischen Situation von einem Freund gefragt. „Maus“antwortet leise verschämt der Angsthase Jonas und drückt sich vor dem Streit mit seiner Freundin, obwohl er sie in flagranti mit einem anderen Mann erwischt hat und sie ihn in der gleichen Szene endgültig verlassen wird, gerade weil er solch ein „Weichei“ist. Soviele Phobien und Allergien hat man wohl selten im Kino in einer Filmfigur versammelt gesehen, und daß Regisseur und Drehbuchautor Janek Rieke auch noch die Hauptrolle spielt, läßt den Verdacht aufkommen, daß er genau weiß, von welchen Ängsten sein alter ego hier besessen ist. Aber mit diesem Film hat er sich dann doch einiges getraut, und den Jonas spielt er so uneitel und feige , daß man ihn eben nicht von der ersten Szene an mag, sondern bis zum Finale immer schubsen will, denn er ist nun wirklich enervierend passiv.
Man verliert zwar langsam die Geduld mit ihm, aber nicht mit dem Film, und dies ist die größte Leistung des Hamburger Regiedebütanten Janek Rieke. Er versetzt seinen Jonas in immer peinlichere Dilemmata, und richtig schön schlimm wird es für ihn, als er sich in die Öko-Aktivistin Lena verliebt. Die trampelt auf dem teuren Auto seiner Yuppiefreunde herum, kloppt sich mit alle Leuten, vor denen Jonas wegläuft, und kämpft gegen genau solche Typen wie Jonas' Vater, der als Reeder Erdöl transportiert. Und natürlich traut sich Jonas nicht, ihr dies zu gestehen, und macht so alles nur noch schlimmer. In einer schönen Szene, die an einen berühmten amerikanischen Song erinnert (“I say tomato, You say domäitouw“), zählt Lena auf, warum die beiden nicht zusammenpassen, und das schlagendste Argument dabei ist, neben Yogi-Tee kontra Designer-Wasser und Mountain-Bike kontra BMW, daß er HSV- und sie St-Pauli-Fan ist. Damit die beiden dann doch zueinander kommen, muß Jonas in ein Labor einbrechen und in einen gen-manipulierten Kürbis scheißen, aber bevor ich diese Szene und ihre psychoanalytischen Implikationen intensiver analysiere, schauen Sie sich das doch lieber selber an. Rieke entwickelt in solchen Situationen einen schön abgedrehten Humor, und weil er genau hingucken kann, ist sein Film ein authentisches Hamburg-Portrait geworden.
Tadeln muß man aus Bremischer Sicht allerdings, daß Riekes lokalpatriotische Fußball-Leidenschaft hier mit ihm durchging: Die schlimmsten und dümmsten Buhmänner des Films, eine Bande von Baseballschläger-schwingenden Skinheads, sind allesamt eingeschworene Fans von Werder Bremen. Darüber können wir überhaupt nicht lachen! Und selbst wenn der leibhaftige Rudi Völler in einer kurzen Sequenz als Lichtgestalt erscheint, kann uns dies kaum mit dem HSV-Fan Rieke versöhnen. Aber schauen Sie sich doch an, wie es um seinen Verein gerade steht: Alles Weicheier, das!
Wilfried Hippen
Cinema, tägl. 21 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen