: Kopf hinter den Anti-Asta-Klagen
■ Steckt ein organisiertes Klägerbündnis hinter der Klagewelle gegen die Asten?
Er begann seinen Feldzug 1992. René Schneider, damals Jura-Student im 32. Semester, legte Klage gegen die vom Asta Münster beschlossene Einführung des Semestertickets ein. Im Laufe des Verfahrens funktionierte er seine Wohnung in ein „Institut für Hochschulrecht“, Zentrum für Semesterticket-Forschung“ um. Er selbst nannte sich fortan „Direktor“.
Für René Schneider war der Streit um das Semesterticket nur der Anfang. Insgesamt 20 Prozesse hat der Immer-noch-nicht-Jurist gegen den Münsteraner Asta eingeleitet. Etwa gegen Artikel in der Asta-Postille über die RAF, die er – obwohl als Satire gekennzeichnet – als „Sympathiebekundung für die RAF“ sieht. Eine neue Dimension erhielt Schneiders Prozessiererei im folgenden Verfahren: Er klagte gegen das politische Mandat des Asta. Das Gericht sollte klären: Ist es dem Asta gestattet, sich auch zu allgemeinpolitischen Fragen (wie etwa zum Thema RAF) zu äußern? Oder muß sich die Studentenvertretung strikt auf hochschulpolitische Themen begrenzen?
Die Entscheidung fiel zugunsten des Klägers aus: Das Oberverwaltungsgericht untersagte dem Asta unter Androhung eines Bußgeldes von bis zu 500.000 Mark, „...politische Erklärungen, Forderungen und Stellungnahmen abzugeben, die nicht spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen sind“.
Nach diesem Erfolg leitete Schneider einen regelrechten Siegeszug gegen die Asten anderer Hochschulen ein. Mit dem Münsteraner Anwalt Heinz-Jürgen Milse, den er als „erste Adresse für alle Studenten, die sich gegen ihren Asta wehren wollen“, preist, warb er in Bonn und Wuppertal weitere Kläger an, schließlich auch in Gießen und Bremen. Überall wurden den Asten allgemeinpolitische Äußerungen untersagt.
Schneider ist mittlerweile im 44. Semester. In seinem „Institut für Hochschulrecht“ läßt er sich prinzipiell nicht besuchen – er habe Angst vor Anschlägen, sagte er gegenüber der taz. Der Jurist arbeitet daher stets bei heruntergelassenen Jalousien. Selbst dem Münsteraner Verwaltungsgericht, vor dem er so viele Erfolge errungen hat, ist der Dauerkläger nicht mehr ganz geheuer. Seinen letzten Vorstoß wiesen die Richter im Februar ab. Begründung: Es sei nicht mehr davon auszugehen, daß der seit 22 Jahren Eingeschriebene noch ein ernsthaftes Bildungsziel verfolge. Schneider brauche den Studi-Ausweis offenbar, um in die Mensa zu gehen – und gegen den Asta klagen zu können.
Auf den Internetseiten seines Instituts für Hochschulrecht“ entwirft Schneider eine ganz eigene Theorie seiner Anti-Asta-Klagen: Die PDS unterwandere die bundesdeutschen Studentenschaften. Der Student im 44. Semester warnt vor „linksextremistischen Subkulturen“ und „dubiosen Referaten für Antifaschismus, Internationalismus und Heterophobismus“. Um diesen Verschwörungen besser nachgehen zu können, hat Schneider ein weiteres Institut gegründet: eine „Forschungsstelle gegen Justizwillkür und Rechtsbeugung in NRW“. Er selbst firmiert wahlweise als Forschungs- oder Verwaltungsdirektor.
In Sachen Asta-Klagen tituliert sich Schneider lieber als „Vollstreckungsgläubiger gegen die Studentenschaft“. Ganz unrecht hat er damit nicht. Seine erfolgreichen Klagen gegen den Münsteraner Asta werden vielerorts begierig von konservativen Studenten aufgegriffen. Die bislang verhängten „Maulkörbe“ gehen so weit, daß nicht mal mehr so Unbestreitbares wie die Münsteraner Zeitzeugengespräche mit KZ-Häftlingen im Semesterspiegel abgedruckt werden dürfen (siehe taz vom 30. März 1998). Die Erfolge von Münster, Bonn, Bremen und anderen Städten dürften wohl erst der Anfang einer größeren Prozeßwelle sein, welche die Asten in den nächsten Jahren beschäftigen wird.
Verhindert werden könnte das durch eine deutlichere Formulierung zum politischen Mandat in den Hochschulgesetzen. Denn in der Praxis ist die Grenze zwischen allgemein- und hochschulpolitischen Themen kaum zu ziehen. Riskieren die Studentenvertretungen aber mit jedem nichthochschulpolitischen Thema saftige Strafgelder, könnte den Universitäten künftig ein wichtiges Gremium fehlen, in dem sich Studenten mit gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigen können. „Die Universitäten würden wieder ihren Platz im Elfenbeinturm einnehmen“, meint Carsten Peters, Asta-Vorsitzender in Münster. „Und die Studentenschaft würde isoliert.“ Kristine Schmidt
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