Chat als Charade

■ Die Liebe in den Zeiten des Internets: der Beziehungsreißer „connected“

Weglaufen gilt nicht: Das ist das Wichtigste, was Carla während ihrer weltweiten Suche nach sich selbst gelernt hat. Das mühsam im Internet erchattete Beziehungsnetz wird zum virtuellen Fake, als Stefan, der Mann ihrer Träume und Alpträume, plötzlich leibhaftig im Wohnzimmer steht. Denn der bevorzugt die uralte, handfeste Variante der Beziehungsarbeit: den möglichst lauten Streit.

Am Donnerstag hatte connected, nach Rumänen die zweite Produktion des Theaters unter Ausschluß der Öffentlichkeit, in einem Loft des Meßberghofs Premiere. Die Liebe in den Zeiten des Internets sollte es zum Inhalt haben. Doch da Carlas Rechner bloße Requisite blieb, geriet das Stück des Autors und Regisseurs Tobias Derndinger zur Parabel über die Liebe im großen und ganzen. Und deren bedeutendster Lehrsatz lautet: Beziehungen sind Streß, aber es lohnt sich.

Fast in Echtzeit erzählt Derndinger die Geschichte von Carlas großem Abend. Nach der Flucht aus der letzten Affäre hatte sie sich drei Wochen lang in ihrer neuen Wohnung versteckt und den Kontakt zur Außenwelt nur über die Telefonleitung aufrechterhalten. Dann endlich wagt sie ein erstes Treffen mit Knut, den sie nur aus dem Netz kennt. Doch Knut war nur Stefans Tarnadresse, und so ist Carla gezwungen, ihr neu erworbenes Selbstvertrauen gleich unter Beweis zu stellen. Sie dreht den Spieß um: Weil er als Knut gekommen ist, muß Stefan auch Knut spielen. Ihr zuhören, wenn sie was zu erzählen hat – und wenn sie Fragen stellt, gefälligst antworten. Zunächst ist es nur das alte Machtspielchen mit umgekehrten Vorzeichen. Weil aber Derndinger Optimist ist, läßt er den Abend in trauter Zweisamkeit unter dem Wohnzimmertisch enden: eine Chance für die Liebe.

Zwischen Pathos und Komödie schwankt dieses Stück, als hätte sich Derndinger nicht entscheiden können, ob er seine Figuren fatal oder doch lieber lächerlich sehen will. Die komischen Stellen sind noch die stärksten. Wenn Frank Jacobsen als Stefan nach vollzogenem Kraftakt partout noch eine Bestätigung erzwingen will: „Ich mein', das war doch gut?“Wenn Melanie Marschke als Carla ihrem geliebten Ekelpaket alles zutraut – auch daß er den Mann vom Sushi-Bringdienst tot im Schrank versteckt hat – dann kann sich das Publikum im Lachen befreien.

Die Atmosphäre im Meßberghof läßt nichts zu wünschen übrig, aber man merkt connected deutlich die Gemeinsamkeit zwischen Theater und Sex an: Wenn es langweilig wird, reicht es noch lange nicht, einfach nur den Ort zu wechseln.

Barbora Paluskova

bis So, 19. April, täglich außer montags, 20 Uhr, Meßberghof, Meßberg 1. Karten: 721 97 42