■ Brandenburg möchte eine Kommission für Moral und Demokratie: Stumpfes Instrument
Wenn der Nachbar rassistische Sprüche klopft, die Wohnungsgesellschaft nicht an Schwarze vermietet, das Kind in der Schule die rechte Hand zum Gruß erhebt, dann ist das ein Fall für die Kommission gegen Diskriminierung. Hans Otto Bräutigam, Justizminister im Land Brandenburg, weiß im Kampf gegen den Rassismus keine andere Antwort mehr, als einen Untersuchungsausschuß zu fordern. Diejenigen, die diskriminiert werden, sollen sich künftig bei der ehrenwerten Kommission beschweren dürfen. Darin sitzen ein Pastor, ein Jurist, ein Vertreter der Kommune und ein Journalist. Die vier von der Demokratiefront laden Zeugen, fragen, tadeln und geben dem Rassisten Denkanstöße für ein besseres Verhalten mit auf den Weg. Alle anderen Gesinnungsgenossen, die richtig gegen das Strafgesetzbuch verstoßen, werden wie bisher dem Richter vorgeführt.
Was kann eine Kommission für Moral und Demokratie bezwecken? Nichts. Denn die Menschen in Ostdeutschland sind nicht begeistert vom demokratischen System und seinen Spielregeln. Noch nicht einmal jeder dritte Ostdeutsche, so eine Umfrage von Allensbach, hält die Demokratie für verteidigungswert. Jeder zehnte junge Sachse würde gerne der NPD seine Stimme geben. Als ein Juso-Mann seinen Freunden in Frankfurt (Oder) vorschlug, die Chancen der deutsch-polnischen Beziehungen zum Wahlkampfthema zu machen, hieß es: Denk an unsere Wähler! Der Ministerpräsident von Mecklenburg- Vorpommern schwadronierte darüber, daß Türken gar keine Deutsche werden wollen. Und Täve Schur, Spitzenradler der PDS, brachte beim Thema Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ungescholten Hitlers Autobahnen ins Spiel. Solange Politiker dem dumpfen Haß noch Futter geben, hat ein noch so aufrichtig gemeinter Vorschlag keine Chance, Gehör zu finden.
Zwölf Jahre Hitler-Diktatur und 40 Jahre DDR- Autorität haben tiefe Spuren hinterlassen. Was also tun? Bräutigam will dem Thema Diskriminierung von Ausländern Gewicht verleihen. Er hat Möglichkeiten dazu. Brandenburg könnte im Bundesrat eine Initiative für ein Antidiskriminierungsgesetz starten. Tenor: Wer einen anderen wegen seiner Herkunft dikriminiert, wird bestraft. Angesicht des brüchigen Fundaments der Demokratie in Ostdeutschland müßte darüber geredet werden, ob das Strafgesetzbuch nicht zu einem Instrument einer Demokratisierungsoffensive werden muß. Wie tief sollen die ostdeutschen Länder noch in den braunen Sumpf geraten, bevor der Bund etwas unternimmt? Annette Rogalla
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