„Wahlkampf für die SPD“

Hamburgs Arbeitsamtschef schwärmt von Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Protest gegen Arbeitslosigkeit fällt dürftig aus  ■ Von Heike Dierbach

„Schlag zu, du junge Garde des Proletariats!“Die kämpferischsten Worte fand gestern vor der CDU-Parteizentrale Hannes Wader – wenn auch nur von der Kassette. Die Kundgebung, zu der der DGB und der Verein zur Betreuung von Arbeitslosen und Arbeitslosenselbsthilfegruppen aufgerufen hatten, hielt dagegen höflich Abstand zur weißgetünchten Villa am Leinpfad in Winterhude.

Die Hamburger ChristdemokratInnen seien der „Ableger der Bundesregierung“, kommentierte der Hamburger DGB-Chef Erhard Pumm den Ort der Demonstration. Die müsse man klar als Verantwortliche der hohen Arbeitslosenzahlen benennen. Doch nur etwa 400 DemonstrantInnen folgten gestern seinem Appell – erwartet hatte man 1000.

Auch in Kiel fiel die Beteiligung mit rund 100 TeilnehmerInnen enttäuschend aus. Helmuth Diekwisch vom Hamburger Arbeitslosenverein erklärt sich das geringe Interesse mit der „Diskriminierung“, die die Arbeitslosen in die Isolation treibe. Trotzdem werde die Wut größer, ist er überzeugt.

„Sehr ruhig“fand dagegen Irene Bonnaud von der französischen Arbeitsloseninitiative „AC!“die Proteste. Die Deutschen sollten lieber auf die Basis setzen anstatt auf den Gewerkschaftsbund. Ohne radikalere Forderungen sei das hier doch „Wahlkampf für die SPD“. Eine 63jährige arbeitslose Lehrerin stimmt ihr zu: „Der Schröder ist genauso schlimm!“Da lasse man sich keinen „Sand in die Augen streuen“– auch, wenn die Zahl der Arbeitslosen im März stärker gefallen ist als im vergangenen Jahr.

Dem Direktor des Hamburger Arbeitsamts, Olaf Koglin, hingegen fiel angesichts der Zahlen „ein riesengroßer Stein vom Herzen“. 94.300 Menschen waren im März in Hamburg arbeitslos gemeldet. Das sind 2.946 weniger als im Vormonat. Doch in jedem März gibt es saisonbedingt weniger Arbeitslose als im Februar. Die Quote der Arbeitslose liegt nichtsdestotrotz derzeit mit 11,8 Prozent immer noch höher als im März 1997. Koglin argumentiert, der dreiprozentige Rückgang seit Februar sei ungewöhnlich hoch und darum „nicht nur saisonbedingt“. Prompt schwärmt er von einer „Trendwende auf dem Arbeitsmarkt“. Erstmalig könnten die tatsächlichen Arbeitslosenzahlen in diesem Jahr unter denen des Vorjahres liegen, hofft Koglin.

Das würde wiederum der CDU gut in ihren Bundestagswahlkampf passen, unterstellt DGB-Chef und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Pumm. Er vermutet ein „Scheinmanöver, mit dem Bundesregierung und Arbeitgeberverbände jetzt versuchen, den Eindruck zu vermitteln, die Talsohle sei durchschritten“. Dabei würden die Unternehmer geplanten Stellenabbau lediglich bis nach der Wahl verschieben, meint der Hamburger DGB-Vorsitzende.

Die 63jährige Lehrerin vor der Parteizentrale der CDU hat ihre eigene Analyse: „Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit ist und bleibt der Kapitalismus.“