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Mürmeldierdöch (korrigierte Schreibweise) in Läbzisch (2) Von Carola Rönneburg

Als ich aufgestanden war, ließ sich Frau Schwab nicht blicken. Immerhin hatte sie einen gedeckten Frühstückscouchtisch in ihrem Wohnzimmer hinterlassen. Ich setzte mich in einen der riesigen Sessel mit Flokatiauflage, trank schnell drei Tassen Kaffee und machte mich auf den Weg zur Buchmesse.

Hier hatten die Schwabschen Worte inzwischen schon die Runde gemacht. Mitfühlende Kolleginnen boten gar an, für die nächste Nacht flink ein neues Quartier mit Ausschlafgarantie zu besorgen. Ich lehnte ab, was sehr, sehr dumm von mir war – denn der Murmeltiertag nahm seinen Lauf. Zunächst zeigte er sich von seiner angenehmen Seite: Am frühen Nachmittag wanderte ich, in ein angenehmes Gespräch vertieft, mit einem befreundeten Verleger um den Leipziger Buchmessensee. Während der zweiten Runde beschlossen wir, das gemeinsame Abendessen vom vergangenen Jahr zu wiederholen. Um ganz sicher zu gehen, daß wir diesmal in voller Besetzung zusammenkommen würden, bestimmten wir keinen Treffpunkt, sondern legten Lokal und Uhrzeit gleich fest. Dann machte ich mich auf, den Rest der Gesellschaft von unseren Plänen zu unterrichten.

Die Übung gelang. Punkt acht Uhr dreißig wurden uns in „Zills Tunnel“ Entenbraten, Lammfilets und andere leckere Speisen serviert; die Konversation war bis dato vorbildlich gewesen, als plötzlich eine der Nachwuchsnervensägen an unserem Tisch stand. „Darf ich mich zu euch setzen?“ beschloß sie, während sie einen Stuhl in unsere Richtung schob.

Wie gern hätte ich meine guten Manieren in diesem Moment vergessen. Wie gern hätte ich „nein, das darfst du nicht“ gesagt. Und zwar, wäre ich fortgefahren, „weil du gar keine Gesellschaft wünschst, sondern nur einen von uns als deinen Zuhörer anstellen wirst. Weil du, wenn Frau H. eine schöne Geschichte erzählt, im entscheidenden Moment losjammern wirst, deine Bestellung sei noch nicht da. Und außerdem wird dein wichtigster Redebeitrag darin bestehen, uns über deine Abneigung gegenüber jeglichem deutschen Weißwein in Kenntnis zu setzen. Also schleich dich!“ Nächstes Mal, das schwöre ich, werde ich das alles sagen. Hier aber litt ich nur stumm bis zum Ende der Veranstaltung.

Und was hatte sich Frau Schwab inzwischen ausgedacht? Frau Schwab hatte eine Notiz auf meinem Kopfkissen deponiert. „Bitte morgen bis 9 Uhr frühstücken und das Zimmer räumen!“ stand dort. „Wir wollen wegfahren!“ Daraufhin rauchte ich trotz Rauchverbots eine Zigarette und verwendete ein Objekt aus der bulgarischen Glassammlung als Aschenbecher.

Mein Triumph war jedoch nur von kurzer Dauer. Kurz vor acht Uhr des kommenden Tages hörte ich Frau Schwab erst aufdringlich mit Geschirr klappern; alsdann in bewährt durchdringendem Ton auf einen weiteren Messegast in ihrer Wohnung einquäken, sie solle nun endlich aufhören zu duschen! Es sei schon spät!

Da fügte ich mich in mein Schicksal, packte meinen Koffer und stand schon wenige Minuten später auf der Straße, nach alter Tradition ohne Frühstück. Wie es nächstes Jahr unweigerlich dazu gekommen sein wird, daß ich trotz Hotelreservierung und eines mitgebrachten Zeltes erneut unter Frau Schwabs Terrorregime gelangt bin, erfahren Sie dann.

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