Auch mal Andachten mit der Gitarre

■ Die Gemeinden bauen kräftig Personal ab / Wie man dabei Härten vermeidet, zeigt die Martin-Luther-Gemeinde in Findorff

In den „harten Zeiten“war Bettina Paul-Renken fast 20 Stunden pro Woche im Einsatz. „Da habe ich viel Kraft investiert“, sagt die Hausfrau und Mutter. Sie sitzt als Ehrenamtliche im Kirchenvorstand der Martin-Luther-Gemeinde in Findorff. Dort muß sie jetzt wie alle anderen Kirchenvorstände in Bremen das große Finanzloch der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) bewältigen. Im Klartext heißt das: Am gemeindlichen Sparhebel drehen und die eigenen MitarbeiterInnen entlassen. „Da fühlt man sich oft überlastet“, sagt die 35jährige.

Überlastet, weil die Gemeinden die Sparbeschlüsse in ihren mit Ehrenamtlichen besetzten Kirchenvorständen eigenhändig umsetzen müssen. Denn alle 69 Bremer Gemeinden sind laut Bremer Kirchenverfassung autonom. Sie sind es, die Leute einstellen – und entlassen. Dabei kam es bereits zu herben Rausschmißmethoden (wir berichteten). Doch Bettina Paul-Renken sagt: „Bei uns lief das anders ab.“Die drittgrößte Gemeinde in Bremen mit knapp 11.000 Mitgliedern hat immerhin 50 MitarbeiterInnen inklusive angeschlossenem Kindergarten. Da hätte man sich gezielt in Personal- und Gesprächsführung fortbilden lassen.

Das Ergebnis: Wenn es um Kündigung ging, gab es offene Gepräche mit allen Beteiligten. „Außerdem gibt es bei uns eine Mitarbeitervertretung, die wir sofort eingeschaltet haben“, sagt sie. Und: „Wir haben immer nach Alternativen zur Kündigung gesucht.“So war für die sechs Putzfrauen nach einem Gespräch klar: Sie wollten alle in der Gemeinde bleiben. Und das wurde möglich gemacht: Zukünftig arbeiten alle nur noch 20 statt bislang bis zu 38 Stunden. Auch von einem der beiden Küster mußte man sich trennen: Er ließ sich auf einen Wechsel in einen anderen Stadtteil ein, arbeitete erst zur Hälfte noch in der Findorffer Gemeinde mit. Jetzt ist er ganz bei der benachbarten Gemeinde gelandet. Doch nicht alle Mitarbeiterinnen hätten so flexibel auf Veränderungen reagiert.

Da war zum Beispiel das Problem mit der Gemeindeschwesternstation. Sie sollte aufgelöst werden, und man bot einer Mitarbeiterin einen neuen Job in einer kirchlichen Tagesstätte an. Doch sie lehnte laut Paul-Renken ab. „Es gibt eben Mitarbeiter, die flexibel sind und andere, die partout in der Gemeinde bleiben wollen, weil es hier so nett ist“, beschreibt sie das Problem. Dabei müsse sich doch die ganze Gemeinde in „diesen Zeiten“umorientieren: In Findorff gibt es jetzt eben auch mal Andachten mit Gitarre, weil ein nebenamtlicher Kirchenmusiker gehen mußte. Und Küsteraufgaben nimmt jetzt ab und zu ein Jugendlicher „gegen ein paar Mark“wahr.

Die Findorffer planen aber schon weiter: Das Kirchenvorstandsteam hat bereits ein Personalkonzept für die nächsten Jahre aufgestellt – um zu sehen, wer in Vorruhestand geht und wievielen MitarbeiterInnen dadurch eine Kündigung erspart bleibt. Das höre sich zwar unter dem Strich alles toll an, meint Bettina Paul-Renken. Aber sie weiß auch, daß Findorff anders dasteht als zum Beispiel kleinere Gemeinden. „Wir haben hier und da noch ein paar Puffer – und konnten zum Beispiel eines unserer beiden Gemeindehäuser verkaufen. Doch bei kleineren kann ich mir schon vorstellen, daß es mit der Personalentwicklung unter Sparzwang Probleme gibt“. Da werde der Druck dann weitergegeben – an die betroffenen MitarbeiterInnen. kat