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Don Quichote verlor

■ Pistole gegen Gerichtsvollzieher: Keine Chance für 42jährigen in Berufungsverhandlung

Unter dem Motto „ein einsamer Streiter gegen die Justiz“stand die Berufungsverhandlung, die Ralf B. vor dem Bremer Landgericht jetzt erfolglos vor dem Bremer Landgericht ausgefochten hat. Das Gericht wies die Berufung als unbegründet ab. Der 42jährige Ralf B. war vom Amtsgericht im September 1997 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

Er soll im Juli 1996 einen Gerichtsvollzieher und zwei begleitende Personen mit einer geladenen, aber nicht entsicherten Pistole zum Verlassen seiner Wohnung gezwungen haben. Der Gerichtsvollzieher wollte einen Haftbefehl zur Ablegung eines Offenbarungseides vollstrecken. Schließlich mußte der Beamte mit einem Sondereinsatzkommando der Polizei zurückkommen, um Ralf B. zu überwältigen.

Der Angeklagte, ein alleinerziehender Vater, erschien zur Berufungsverhandlung zwar ohne Verteidiger, forderte aber solch einen mit dem Hinweis auf die Menschenrechte. Dies lehnte der Richter ab. Pflichtverteidigung sei in diesem Fall nicht vorgesehen. Von da an war es mit der guten Laune des Angeklagten, dem der Richter „beinahe krankhafte Züge“bescheinigte, endgültig vorbei. Er forderte die Einstellung des Verfahrens, legte wegen der Verweigerung des Rechtsbeistandes Protest ein, erklärte die Verhandlung zur Farce und meinte, das Verfahren müsse ausgesetzt werden, bis geklärt sei, ob der Gerichtsvollzieher die Wohnung rechtmäßig betreten habe. Der Richter allerdings war der Meinung, daß das Verhalten des Beamten durchaus in Ordnung gewesen sei und sagte: „Sie kämpfen wie Don Quichote gegen Windmühlen, wollen Sie nicht schon aus Kostengründen zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen ?“

Nein, wollte er nicht und verwies darauf, daß er von Sozialhilfe lebe und die Gerichtskosten deshalb auch nicht von ihm selbst bezahlt würden. Die Staatsanwältin erklärte, sie sehe keine Gründe, warum das Urteil unter der Mindeststrafe von sechs Monaten auf Bewährung bleiben sollte und daß der Angeklagte froh sein müsse, weil das Urteil noch recht milde ausgefallen sei. Daraufhin beschuldigte Ralf B. sie, „Fachkauderwelsch“zu reden. Nach der Urteilsverkündung des Richters, der die Berufung zurückwies, kündigte der Angeklagte an, Revision einzulegen. Ausgelöst wurde das ganze übrigens durch eine Forderung der Stadtwerke in Höhe von 27 Mark. kade

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