: Im Niemandsland der Frauen
■ Auch 68er Mädchen kommen in die Wechseljahre
Jungsein ist kein Verdienst, es kostet das Leben und wird eingefordert von Alter und Vergänglichkeit.
Für Frauen ist dies in einer letzten Geringschätzigkeit ein Todesstoß.
Sie werden verbannt aus dem Leben der Säfte und Kräfte. Ein lang gelebtes Dasein reduziert sich grausam auf eine vertrocknete Omi-Existenz. Lästig zeigt uns die Omisierung der weiblichen Gesellschaft, daß die Kraft der Alten in Vergessenheit geraten ist. Die verschwundene Potenz der Frauen wird zur Stärke der Männer hochgejubelt und von den Frauen als phallische Anstöße und Neurosen verinnerlicht. Seelisch und körperlich unbehaust, bewegen sie sich mit viel Verrenkung und Anpassung in männlichen Energiefeldern, bauen sich als Überlebensstrategie Ersatzmachtbereiche auf. Der Alterungsprozeß verurteilt sie zur ständigen Renovierung, um nicht weggeworfen zu werden.
Aber die Verharmlosung und Reduzierung funktioniert nicht immer, sonst müßten alte Frauen nicht auch als abstoßendes und bedrohliches Feindbild herhalten. Das Böse ist oft alt und weiblich, eine häßliche Hexe. Ohne männliche Dominanz in Gestalt des Teufels kommt auch sie nicht aus. Und selbst der Teufel hat noch eine Großmutter, die so schrecklich ist, daß er sie vor Grauen vernichten muß. Die Abwehr alter Weiblichkeit scheint um so erbarmungsloser, je mächtiger die Kraft ist, die abgewehrt werden muß. Daher schickt man die Helden aus, um den Drachen zu töten.
Alte – ehrliche – Frauen entziehen sich dem Machtbereich der Männer. Sowieso nicht mehr angeschaut, nutzen sie ihre Unsichtbarkeit freiwillig. Als Schülerinnen des Lebens können sie herausfinden, was sie nicht mehr brauchen und das werden, was sie sind. Mächtige Wesen, Wanderinnen zwischen den Welten.
Sie stehen vor einem der bedeutendsten Übergänge und haben keine Zeit zu verlieren. Es ist die Vorbereitung auf die Berührung mit dem Tod.
Starke Zeiten für alte Drachen, die einzig angemessene Furcht ist Ehrfurcht. Anna Werner
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