: Appetit auf mehr
■ Erst erbeutete der WAZ-Konzern in Thüringen die Zeitungen. Da nun noch Privatfunk dazukommen soll, muckt die Medienaufsicht auf
Werner Felgentrebe versteht die Welt nicht mehr. Da kommt einer wie er und will die Landeswelle, ein Thüringer Privatradio, mal so „richtig auf die Beine“ bringen. Und plötzlich pfuscht eine Medienbehörde rein – „unzulässigerweise“, sagt er.
Dabei prüft die Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) eine entscheidende Frage. Es geht darum, ob das Essener Medienimperium der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), das schon Thüringens Zeitungsmarkt beherrscht, auch noch Zugriff auf den Privatfunk bekommt. Die TLM glaubt, Felgentrebe könnte dabei die Schlüsselfigur sein. Offiziell gehört dem Mann die Thüringische Landeszeitung (TLZ) und die Erfurter Werbe- und Verlagsfirma R & B. Die wiederum ist bei der Landeswelle dabei. Bisher nur mit einem Prozent, doch nun kaufte Felgentrebe weitere neun Prozent dazu.
„Wir haben damit nichts zu tun“, erklärt WAZ-Chef Erich Schumann, und auch Felgentrebe bestreitet, daß WAZ-Manager in seinem Unternehmen mitreden. Zweifel sind angebracht: Schließlich läßt die TLZ alle verlagswirtschaftlichen Aufgaben wie Druck oder Anzeigen über eine WAZ- Firma abwickeln – gemeinsam mit den WAZ-Blättern Thüringer Allgemeine und Ostthüringer Zeitung.
Kirsten Kramer, Justitiarin bei der Medienaufsicht, folgert: „Wir haben den Verdacht, daß die WAZ bei der TLZ massiven Einfluß nimmt.“ Danach wäre die kleine TLZ aus Weimar Arm eines Medienkraken, der schon über 70 Prozent des Thüringer Zeitungsmarktes beherrscht. Ein Arm, der in das Privatradio eindringt. Nach dem Landesrundfunkgesetz muß die TLM besonders auf Radiogesellschafter aufpassen, die eine „marktbeherrschende Stellung bei Tageszeitungen“ haben: zur „Sicherung der Meinungsvielfalt“.
Nach Thüringen machten sich die Essener Manager schon kurz nach der Wende zum Beutezug auf: Zuerst kam die Thüringer Allgemeine in Erfurt, dann waren in Gera die Ostthüringer Nachrichten dran. Um das Monopol zu verhindern, sträubten sich Treuhand und Bundeskartellamt. Doch die WAZ-Manager machten mit der ganzen Belegschaft der Zeitung einfach ein neues Blatt auf, die Ostthüringer Zeitung. Den Behörden blieb der wertlose Namenszug.
Nicht erst seitdem sind die WAZ-Herren beim Bundeskartellamt gute Bekannte. Mehrfach verdächtigte sie das Amt, Auflagen mit Hilfe von Strohmännern zu umgehen. Im März verboten die Wettbewerbshüter eine schon vollzogene Zeitungsübernahme in Iserlohn in NRW, wo der Verlag weite Landesteile beherrscht. Den Iserlohn-Deal hatten die WAZler nicht offiziell angemeldet, sondern unter dem Namen eines Partners abgewickelt. Beim Thüringer Privatfunk, so wird vermutet, läuft es jetzt ähnlich.
Im übrigen geben sich die Essener nicht mehr mit Zeitungen und Radios in Deutschland zufrieden. Sie spielen beim Privat-TV mit (u.a. RTL) und kontrollieren Teile des Pressemarkts in Österreich, Bulgarien und Ungarn.
Nun will der Krake offenbar wieder in Thüringen seinen Appetit befriedigen. Jedenfalls schnappte sich TLZ-Mann Felgentrebe neben der Radiobeteiligung noch Anzeigenblätter. Die könnten der WAZ eine Kontrolle des Anzeigenmarktes ermöglichen. Das Bundeskartellamt prüft bereits „eingehend“, wie ein Sprecher sagt. Auch das Amt recherchiert, ob die Verbindung zwischen TLZ-Mann Felgentrebe und WAZ-Blättern ein „wettbewerbsloses Oligopol“ ist. „Dann besteht die Gefahr, daß eine marktbeherrschende Stellung verstärkt wird.“
Derweil fürchten andere Landeswelle-Gesellschafter, untergebuttert zu werden, und hoffen auf Hilfe der Medienanstalt. Zeitungsboß Felgentrebe schlägt zurück: Die TLM bekomme jetzt eben „Ärger“. Er werde mit dem Chef der Staatkanzlei sprechen. Notfalls auch mit Bernhard Vogel, dem Ministerpräsidenten.
Ob die sich mit der geballten Zeitungsmacht des WAZ-Monopols anlegen wollen? Ein Thüringer Medienexperte sagt grinsend: „Wenn die WAZ gewollt hätte, hätte sie die Regierung mehrmals stolpern lassen können“.
Indes läuft das Zusammenspiel von WAZ-Presse und Landeswelle schon. Die Thüringer Allgemeine widmete jüngst eine ganze Fotoserie „Muntermacher Gesine“, der Landeswelle-Frühmoderatorin. Zur gleichen Zeit prangten die Anzeigen des Senders im Blatt – inklusive Gesine. Wohl kaum ein Zufall, sagt TLM-Justitiarin Kirsten Kramer, „selbst wenn man an das Gute im Menschen glaubt“. Georg Löwisch
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