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KommentarDie Bewegung ist anderswo

■ Forschungsinstitut mit gedämpfter Beschäftigungsprognose

Die Beschäftigungsprognosen der Wirtschaftsinstitute unterscheiden sich nur wenig voneinander, die grundsätzliche Tendenz ist die gleiche: Es wird sich nicht viel tun auf dem Arbeitsmarkt in diesem Jahr. Es herrscht Stagnation auf hohem Niveau. Der Stillstand betrifft nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch die politische Diskussion darüber. Es gibt keine Massenbewegung der Arbeitslosen. Es gibt auch keine neue politische Idee zum Thema Beschäftigung, wie ein Blick in die Wahlprogramme zeigt. Auch das Geschwätz von einer „Trendwende“ kann die politische Stagnation nicht verschleiern. Doch unterhalb der politischen Ebene bewegt sich was. Nur anderswo und auf andere Art und Weise, als die monatlichen Statistiken und Wahlprogramme vermuten lassen.

Hinter den Arbeitsmarktzahlen und -prognosen verbergen sich unterschiedliche Milieus und Individuen, deren Identitätskämpfe schärfer werden und die Dynamik der Gesellschaft in den nächsten zehn Jahren verändern. Hinter der Statistik stehen junge Kreuzberger Türken, von denen jeder zweite keine Lehrstelle findet. Hinter den Zahlen verbergen sich die ostdeutschen Frauen, die sich mit einem Hausfrauendasein nicht abspeisen lassen. In den Arbeitslosenzahlen stecken 45jährige Gekündigte, die sich mit Lieferservice oder Taxischein selbständig machen müssen. Je statischer die politische Diskussion über die Jobmangelgesellschaft, desto lebhafter die Bewegung der Individuen und Milieus, die nicht auf die übernächste Wahl warten können.

Der Osten wird längerfristig abgehängt von den alten Bundesländern, schon allein dafür gibt es kein politisches Handlungsmodell. Die regionalen Gräben werden tiefer, ebenso wie die Kluft zwischen den ethnischen Gruppen, das Chancengefälle zwischen Ungelernten und Qualifizierten, der biographische Absturz der älteren Entlassenen. Wenn die Politik schon gegenwärtig nicht über die Instrumente verfügt, nennenswert neue Jobs zu schaffen, dann sollte wenigstens die Art und Weise der Debatte runderneuert werden: Dazu wären differenziertere Ansätze nötig, Milieus und betroffene Individuen konkreter zu benennen – nicht mit „Schuld“- und „Eigenverantwortungs“-Debatten, aber auch nicht mit dem paternalistischen „Problemgruppen“-Ansatz der 70er Jahre. Die „neue Mitte“ ist überall. Was eigentlich doch gar keine so schlechte Botschaft ist. Barbara Dribbusch

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