: Klein-Eppendorf für die City-Süd
■ Diplomarbeit bescheinigt Gewerbegebiet Hamm gesteigerte Wohnqualität Von Heike Haarhoff
„Hamm könnte in ein paar Jahren das Eppendorf der Beschäftigten aus der City-Süd werden.“ Besonders erstaunlich findet Lutz Mättig seine Annahme nicht. Der 29jährige Hamburger Soziologiestudent hat in seiner Diplomarbeit „Stadtteilanalyse Hamm-Mitte und Hamm-Süd“ herausgefunden, daß die Attraktivität des Stadtteils als Wohnort steigt. Das verwundert an- gesichts der Eindrücke, die Hamm zur Zeit hinterläßt.
Zum Beispiel in der Süderstraße: zu beiden Straßenseiten Lagerhallen und Speditionen. Abends um sieben verlassen nur noch ein paar Lkw-Nachzügler mit ihrer Fracht die Speditions-Ausfahrten. Rangiert und verladen wird erst wieder ab halb vier Uhr morgens. Bis dahin kurven hauptsächlich Freier über den Straßenstrich, der sich hier etabliert hat. „Dieses ewige Bremsen und Wiederanfahren ist unerträglich“, klagt eine Anwohnerin. Sie würde gerne weg aus Hamm-Süd: Wenige Läden, kein Freizeitangebot für die Kinder. Zur nächsten Post, Bank und Arztpraxis ist es weit. Nach 20 Uhr verkehrt zwischen Süderstraße und dem U-Bahnhof Hammer Kirche ein Kleinbus mit zehn Sitzen. Der HVV hat die Strecke einem privaten Taxi-Unternehmen überlassen. „Fährt doch sowieso keiner mit. Die Leute haben Angst, daß ihnen was passiert“, sagt der Fahrer. Kein attraktiver Stadtteil.
„Der Ortsteil Süd ist nicht das beste Beispiel für die sichtbare Veränderung“, räumt Mättig ein. Aber: „In Hamm-Nord und -Mitte hat sich das Stadtbild seit 1989 schon stark gewandelt.“ Viele jüngere Menschen sind hierher gezogen, obwohl Hamm bislang eher zu den unbeliebteren Vierteln zählte. Mättig untersuchte, ob durch den Zuzug die „Alteingesessenen“ ganz allmählich verdrängt werden. Er fragte, was den Stadtteil östlich der Innenstadt plötzlich so begehrt macht.
Ausschlaggebend waren für viele die – im Hamburger Vergleich – günstigen Mieten (ein Viertel liegt unter zehn Mark pro Quadratmeter). Andere zogen ganz bewußt hierher: Vor allem jüngere, gut verdienende Berufstätige schätzen Hamm wegen seiner Nähe zu den Büros in Hammerbrook und dem „Flair der Kanäle“. „Durch diesen Zuzug wird der Stadtteil aufgewertet“, sagt Mättig. Viele empfänden es als „schick“, in einem ehemaligen Arbeiter-Viertel zu wohnen.
Früher war das anders. Nach dem Krieg lebten fast nur Familien in den eilig hochgezogenen Wohnblocks der Genossenschaften. Inzwischen sind die Kinder ausgezogen, viele Eltern verstorben. Die Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen werden neu vermietet oder als Eigentumswohnungen verkauft. Heute liegt der Anteil der 20- bis 40jährigen an der Bevölkerung in Hamm (18,5 Prozent) über dem in Gesamt-Hamburg (16,5 Prozent). „Längerfristig wird sich die Infrastruktur anpassen“, glaubt Lutz Mättig. Wer viel Geld hat, kann viel ausgeben. Kinos, Sportstudios und neue bzw. andere Läden würden sich ansiedeln.
Ändern würden sich wahrscheinlich auch die Preise. Viele Belegungsbindungen laufen bereits aus. Der preiswerte Woh-nungsbestand ist bedroht. Ein großes Problem für die „Ur-Hammer“ mit geringerem Einkommen. Mättig: „Noch verläuft das Nebeneinander zwischen besserverdienenden und benachteiligten Bevölkerungsgruppen konfliktfrei, weil sie sich größtenteils aus dem Weg gehen: Diejenigen, die im Dienstleistungssektor der City-Süd arbeiten, kommen meistens nur zum Schlafen nach Hamm.“
Die von Mättig gezeigte Entwicklung steckt erst in den Anfängen. „Sie könnte sich vor allem in Mitte und Nord fortsetzen, wo es zusätzlich eine günstige U-Bahn-Anbindung gibt.“ Dort sei die Wohnzufriedenheit schon jetzt sehr hoch.
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