: Liza Minelli heißt eigentlich Heidrun
Warum es einfacher ist, mit Apfelsinen im BH als Marilyn Monroe und Pamela Anderson durchzugehen, als etwa Bill Clinton zu ähneln. Eine kleine Phänomenologie der Imitatoren und Lookalikes ■ Von Jenni Zylka
1. Definition und Historie:
Imitation (lat.): (minderwertige) Nachbildung/Nachahmung, Imitat: Teil von Komposia mit der Bedeutung Imitation, Doppelgänger: jemand, der einem anderen Menschen aufs Haar gleicht.
Doppelgänger und Imitationen gibt es im Tierreich genauso wie beim Menschen. Manche Tiere imitieren andere, gefährlichere Arten oder Pflanzen (Mimese und Mimikry), um sich vor Angreifern zu schützen oder sich zu tarnen.
Der Mensch hat immer schon andere Wesen imitiert, allerdings nicht zum Schutz, sondern um dadurch Wissen über das Fremde zu erlangen, oder – wie heute – zum Amüsement.
Natürliche Doppelgänger können Zwillingsgeschwister und nahe Verwandte sein.
2. Wer wird kopiert?
Die erste Voraussetzung ist die Bekanntheit des Originals, die sich der Kopist zunutze macht. Weiterhin ist es von Vorteil, wenn das Original äußerliche oder verhaltensspezifische, immer wiederkehrende Merkmale ausweist, die das Kopieren erleichtern. Es ist wahrscheinlicher, mit wasserstoffblonder Perücke, entsprechendem Make-up und Apfelsinen im BH als Marilyn Monroe durchzugehen, als im Anzug wie der äußerlich recht durchschnittliche Bill Clinton auszusehen.
Darum unterscheidet die Branche zwischen Lookalikes, das sind möglichst ähnlich aussehende Menschen, die aber nicht unbedingt das imitieren können, was ihre Vorbilder auszeichnet (singen, tanzen, politische Reden schwingen oder mit den Hüften wackeln), und Imitatoren. Diese müssen nicht ähnlich aussehen, wenn es Travestiekünstler sind, ist das sogar recht unwahrscheinlich, aber sie müssen das Verhalten und Talent ihres Vorbildes nachahmen können und ihrem Erscheinungsbild mit entsprechender Verkleidung nachhelfen. Im Musikbereich findet man solche Imitatoren häufig, sie kopieren gern Elvis Presley, die Beatles, Michael Jackson oder Maria Callas. Nicht selten sind es Nachahmer aus Leidenschaft: Sie covern das, was sie am liebsten hören und ihnen am Herzen liegt, sie versuchen, so zu klingen und zu sein wie ihr geliebtes Vorbild.
Im Showbusiness dagegen kommen manche Doppelgänger zu ihrem Beruf wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde. In Rosemarie Fietings Doppelgänger-Agentur in Berlin findet sich eine Liza Minelli, die der echten so sehr ähnelt, daß Judy Garland sich wahrscheinlich im Grab umdrehen würde. Sie heißt eigentlich Heidrun und sagt über Liza: „Ich kannte sie wirklich nicht, bis mich immer mehr Bekannte auf die Ähnlichkeit hinwiesen und ich dann anfing, ihren Lebensweg zu verfolgen. Jetzt mag ich sie zwar, aber es ist mir auch ein bißchen unheimlich. Ich finde es manchmal schon komisch, daß die Leute scheinbar gar nicht zwischen mir und der echten Liza unterscheiden wollen. Aber ich bin froh, daß ich Liza ähnlich sehe, und nicht zum Beispiel Honecker...“ Sie selbst würde übrigens nicht zu einem Doppelgänger ihres Lieblingsstars gehen. Genau wie Eva, die 21 und seit einem Jahr bei Frau Fieting als Pamela Anderson unter Vertrag ist. Sie ist aber „eher kein Pamela-Fan. Mein Vorbild war eigentlich immer Brigitte Bardot, aber seitdem Pamela Anderson berühmt wurde, wollen mich alle nur noch als Pamela verkaufen.“
Agentur-Chefin Rosi Fieting, eine quirlige, gesündere Reinkarnation von Liz Taylor, erzählt von tragischen Fällen wie dem englischen MM-Double, das sich vor einigen Jahren nach dem Vorbild ihres Ebenbilds das Leben genommen hat. „Ich versuche immer, meinen Künstlern zu sagen: Das ist eine Rolle, danach bist du wieder du selbst. Aber manche haben Probleme, den Unterschied zu machen. In Amerika ist es sogar schon so, daß sich die Originale ihre Doppelgänger selbst ausleihen und mit ihnen essen gehen, um in der Öffentlichkeit gesehen zu werden – je größer ein Star, desto mehr Doppelgänger muß er haben.“
Weniger ernst betreiben ihre Huldigung Comedy-Projekte wie die Rutles aus England, die mit dem Film „All you need is cash“ 1978 eine wunderbare Beatles-Parodie hinlegten, oder die Punkles, die als uneheliche Hamburger Beatles-Söhne Klassiker wie „She loves You“ gnadenlos zu „She loves Punk“ umdichteten.
3. Wer will das sehen?
Die Las-Vegas-Doppelgänger- Show im Berliner Hotel Estrell ist meistens ausverkauft. „Aber Sie wissen doch, daß das nicht die echte Bette Middler ist, oder?“ frage ich ein junges Pärchen. „Die kommt ja sowieso nicht hierher, und wenn, wäre es für uns zu teuer“, ist die Antwort. „Und Elvis oder Marilyn konnten wir ja nie sehen“, fällt der Frau noch ein. Aber man gehe sowieso wegen des „Funs“ hierher, und nicht, weil man wirklich richtiger Fan von einem der Künstler sei. Das sei ja auch eher geschmacklos, sich als echter Fan von einem Doppelgänger becircen zu lassen.
Coverbands, ernsthafte Imitatoren wie die ReBeatles, die Beatles- Revival-Band, oder die amerikanischen Broadway-Produktion „Beatlemania“ scheinen die echten Fans dagegen zu akzeptieren. Aber wenn man die meist künstlerisch schlechteren, dem Original an Charisma und Talent weit unterlegenen Kopisten beobachtet, drängt sich eine Vermutung auf: Vielleicht liegt der Sinn dieser Art von Darbietungen doch im Schutz und in der Tarnung, so wie bei den eingangs erwähnten Tieren und ihrer Mimikry – um die Zuschauer über fehlende Ideen und schlechte Qualität hinwegzutäuschen so wie ein harmloses bienenähnliches Insekt über den fehlenden Stachel.
„Legends in Concert“, Mittwoch bis Montag um 20.30 Uhr und Sonntag um 17 Uhr im Estrel Center, Sonnenallee 225, Berlin-Neukölln
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