: Intensiv lauschen und abhören
Der sogenannte Kleine Lauschangriff erfreut sich ungebrochener Beliebtheit bei den Behörden. Besonders eifrig ermittelt das Kölner Zollkriminalamt verdeckt ■ Von Wolfgang Gast
Berlin (taz) – Beim Kleinen Lauschangriff ist die Bundesrepublik nach wie vor Spitze: Im vergangenen Jahr wurden in mindestens 1.227 Ermittlungsverfahren die Fernmeldeanschlüsse konkret beschuldigter Personen oder Dritter („mögliche Nachrichtenübermittler“) angezapft. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen hervor.
Die tatsächliche Anzahl der Überwachungsmaßnahmen liegt wesentlich höher, denn in die Statistik des Innenministeriums sind bislang nur die Angaben von 10 der 16 Bundesländer eingegangen. Überwacht wurden nicht nur Telefone, auch Telefax- und Telexanschlüsse sowie öffentliche Telefonzellen wurden abgehört.
Allein im Bereich des Bundeskriminalamtes (BKA) führte in 257 Fällen ein Ermittlungsverfahren zum Belauschen der Fernmeldeleitungen; 234mal wurde die Maßnahme von einem Richter angeordnet, 23 wurden per Eilanordnung durch die Staatsanwaltschaft veranlaßt. Bemerkenswert am Antwortschreiben: Gegen konkret Beschuldigte richteten sich die Anordnungen nur in 90 Fällen, die restlichen 167 Lauschangriffe hatten „Kontaktpersonen“ als Ziel.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ließ ihrerseits in 34 Ermittlungsverfahren 116 Anschlüsse überwachen. Die Kosten dafür betrugen 204.498,69 Mark. Ein erheblicher Teil der Summe, so heißt es in der Antwort der Bundesregierung, „entfällt auf die Kosten für Einrichtung und Benutzung von Standleitungen. Personalkosten werden nicht erfaßt.“
Rasant gestiegen ist im Bundesgebiet der Einsatz „verdeckter Ermittlungsbefugnisse“. Damit gemeint sind die Lausch- und Videoüberwachung außerhalb von Wohnungen, der Einsatz verdeckter Ermittler oder die „polizeiliche Beobachtung“ Verdächtigter. Das BKA veranlaßte 89mal eine „Observation mit technischen Mitteln“, zum „Abhören des nichtöffentlich gesprochen Wortes“ kam es in 26 Fällen. Verdeckte Ermittler wurden 17mal eingesetzt, 292 „polizeiliche Beobachtungen“ wurden durchgeführt. Im letzteren Bereich war auch der Bundesgrenzschutz tatkräftig zugange. Er führte 130 solcher Beobachtungen durch.
Weithin unbekannt ist das Ausmaß, in dem auch das Kölner Zollkriminalamt auf verdeckte Ermittlunsgmethoden zurückgreift: 862mal wurde eine polizeiliche Beobachtung durchgeführt – und beim Einsatz verdeckter Ermittler übertraf die Kölner Behörde die BKA-Kollegen in Wiesbanden um beinahe das Zehnfache: 164 Under-cover-Einsätze zählt die neue Statistik für die rheinische Kripo.
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