: Rückübernahme leichter, als Kinkel & Co dachten
■ Bundesregierung gesteht: Kein Land weigert sich prinzipiell, straffällige Landeskinder aufzunehmen. Entwicklungshilfe fast gesperrt
Berlin (taz) – Die Bundesregierung kennt keinen Fall eines Landes, das sich grundsätzlich weigert, eigene Staatsangehörige aufzunehmen. Das hat die Bundesregierung auf Anfrage der bündnisgrünen Abgeordneten Uschi Eid eingestanden. Eid wollte wissen, wie die Bundesminister Klaus Kinkel (Äußeres), Theo Waigel (Finanzen) und Eduard Spranger (Entwicklung) dazu kämen, Staaten durch Entzug der Entwicklungshilfe zu bestrafen, die sich weigern, ihre in Deutschland straffällig gewordenen und illegal hier lebenden Staatsbürger zurückzunehmen.
Genau um diese Frage hatten die drei Minister, aber auch der jetzige SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder im vorigen Spätsommer eine heiße Pressekampagne entfacht. Der Staatssekretär im Entwicklungshilfeministerium (BMZ), Klaus-Jürgen Hedrich, hatte im Bundestag 1997 gesagt, die Zahl jener Ausländer habe „in jüngster Zeit zugenommen“, die ohne Papiere aufgegriffen worden seien und denen man deshalb kein Herkunftsland zuordnen konnte. Hedrich lehnte damals zwar den Waigel/Kinkel-Vorschlag ab, ihnen keine Entwicklungshilfe mehr zu zahlen. Aber er wollte statt dessen Aufnahmelager in der Dritten Welt bauen – die Unterbringung sei dort billiger als hierzulande.
Die christliberale Koalition wollte mit ihrem Vorstoß offensichtlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die öffentliche Meinung auf eine weitere Verschärfung ihrer restriktiven Asylpolitik vorbereiten und Geld sparen. Prompt stornierte das Entwicklungshilfeministerium damals Programme in Höhe von insgesamt zwölf Millionen Mark. Damit hatte die Rückkehr ausländischer Fachkräfte und ihrer Angehörigen gefördert werden sollen. Erst Ende März hob der Ausschuß sie, beinahe unmerklich, wieder auf.
Bericht an den Ausschuß zusammengeschustert
Gleichzeitig wurde aktenkundig, was sich im September 1997 bereits angedeutet hatte: Bonn verfügt nicht über den geringsten konkreten Beleg dafür, in wie vielen Fällen sich Staaten tatsächlich geweigert hatten, aus der Bundesrepublik abgeschobene Staatsangehörige aufzunehmen. „Zahlenangaben sind naturgemäß nicht möglich“, antwortete Hedrich Ende März ausweichend auf Eids Frage. Und Innenstaatssekretär Eduard Lintner glänzte nicht mit eigenen Erkenntnissen, sondern mit einer Zeitungsliste von Staaten, die Rückübernahmen angeblich verweigerten. Offenbar hatten die zuständigen Bundesbehörden das Problem nicht für ernst genug gehalten, um sich überhaupt eigene Gedanken über die Zielgruppe der Kopplung „Entwicklungshilfe für Abschiebung“ zu machen.
Auch die Auflage, dem Haushaltsausschuß bis Dezember dazu eine Stellungnahme vorzulegen, erfüllten sie nicht. Erst am 20. März übermittelte das Bundesfinanzministerium einen BMZ-Bericht, der bei näherem Hinsehen gar keiner ist. Neben nebulösen Äußerungen über eine Einwirkung auf die Botschafter der betreffenden Staaten und eine danach angeblich eingetretene „Verbesserung der Kooperationsbereitschaft“ enthält er lediglich Lobeshymnen auf das gesperrte Rückkehrerprogramm. Uschi Eid, die auch stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist, kann darüber nur den Kopf schütteln. Sie nimmt an, daß der Bericht erst auf ihre erneute Nachfrage vom 5. März zusammengeschustert wurde.
Der durch nichts begründete Sperrvermerk war für sie ohnehin „absurdes Theater“. Er habe ausgerechnet bei jenen in Deutschland lebenden Ausländern angesetzt, wunderte sich Eid, die eigentlich in ihre Länder zurück wollen. Darauf ist die Bundesregierung noch eine Antwort schuldig. Thomas Ruttig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen