Bremer Radio ohne Stimme

■ Der ARD-Vorsitzende Udo Reiter will Radio Bremen „zurückbauen“/ Verhandlungen mit NDR beginnen

„Wenn der ARD-Vorsitzende zu überzeugen wäre, dann wären alle Intendanten über die Fortsetzung des Finanzausgleichs einig.“Das hatte Radio-Bremen-Intendant Karl-Heinz Klostermeier in seiner Bierruhe bei einer Anhörung der Bündnisgrünen am Montag noch erklärt. Doch Klostermeier wird sich sehr anstrengen müssen, wenn sich die Intendanten in der kommenden Woche in Hamburg zur Konferenz versammeln. Denn in einem gestern von der „Frankfurter Rundschau“verbreiteten Papier bekräftigte der amtierende ARD-Vorsitzende und MDR-Intendant Udo Reiter, was er vom derzeitigen System hält: „Eine Fortsetzung des bisherigen Finanzausgleichs dürfte auch mit politischen Kompensationsgeschäften kaum durchsetzbar sein.“Das von Reiter favorisierte neue Modell hätte für Radio Bremen erhebliche Konsequenzen.

In einer mit dem Wort „Kompromißmodell“überschriebenen Empfehlung spricht sich der ARD-Vorsitzende zwar für den Erhalt der kleinen Sender aus, will sie aber „zurückbauen“: Neben dem Saarländischen Rundfunk soll auch die Anstalt Radio Bremen, die etwa die Hälfte ihres 190-Millionen-Mark-Etats aus dem Finanzausgleich erhält, „ihre Ausgaben schrittweise den Einnahmen angleichen“.

So sieht Reiters Konzept eine Befreiung von der Co-Finanzierung für ARD-Gemeinschaftsaufgaben und von der Pflicht der ARD-Fernseh-Zulieferung vor. Dafür solle Radio Bremen auf das Stimmrecht in ARD-Angelegenheiten verzichten. Zwei regionale Hörfunkprogramme sowie ein tägliches 60-Minuten-Fenster im Regionalfernsehen hält Reiter für angemessen. Außerdem steht ein Abbau von Programmleistungen und Personal sowie die Empfehlung zur Kooperation mit dem NDR auf seiner Liste (siehe auch S. 15).

„Kein Kommentar“kommentiert Radio-Bremen-Sprecher Michael Glöckner Reiters Papier. Dabei liegen Klostermeier und Reiter wenigstens in einem Punkt nicht auseinander: Gestern war der Radio-Bremen-Intendant in Sachen Kooperation erstmals bei seinem NDR-Kollegen Jobst Plog – in einer „sehr kooperationsfreudigen Atmosphäre“. Die Verhandlungen sollten zügig durch Arbeitsgruppen vertieft werden, sagt Glöckner, schweigt sich aber auch hier über Einzelheiten aus. Also dampft die Gerüchteküche im Sender, der zufolge viele Rundfunkmitarbeiter befürchten, daß die Hansawelle in dem von Plog vorgeschlagenen „Nordwestradio“aufgehen könnte.

Aus dem Radio-Bremen-Rundfunkrat kam indes scharfe Kritik am Reiter-Papier. Die bündnisgrüne Vertreterin Christiane Bodammer erklärte, daß der Reiter-Vorschlag ein „frontaler Angriff auf die Existenz der kleinen ARD-Sender“sei und einen „Tod auf Raten“zur Folge hätte. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Meinungsvielfalt sei nur durch ein gemeinsames Programm aller Sender zu gewährleisten. Auch AfB-Rundfunkratsmitglied Klaus Bernbacher wies die Vorschläge von Udo Reiter als unakzeptabel zurück. ck