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Lügen ist Menschenrecht

■ Verfassungsgericht meidet Entscheidung über Zulassung von Lügendetektoren

Freiburg (taz) – Das Bundesverfassungsgericht läßt weiter offen, ob künftig Lügendetektoren im Strafprozeß zugelassen werden. In einem gestern bekanntgemachten Beschluß nahmen die Richter eine Verfassungsbeschwerde aus prozessualen Gründen erst gar nicht zur Entscheidung an.

Geklagt hatte ein Mann aus Wuppertal, der wegen Kindesmißbrauchs zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden war. Der Mann lebte von seiner Frau getrennt, die Tochter kam nur noch 14tägig zu Besuch. Dabei soll es auch zu Übergriffen gekommen sein, die der Vater jedoch bestritt. Weil Aussage gegen Aussage stand, beantragte der Mann einen Test mit dem Lügendetektor. Dieser wurde von den Strafgerichten, wie zu erwarten, abgelehnt. Schon 1954 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, daß solche Tests als Verstoß gegen die Menschenwürde gelten, denn hier werde der Mensch zum „Anhängsel einer Maschine“ gemacht. 1981 bestätigte das Verfassungsgericht diesen Richterspruch. Die jüngste Entscheidung in Karlsruhe war mit Spannung erwartet worden, weil das Verfassungsgericht im letzten Herbst angekündigt hatte, daß es über den Lügendetektor ganz neu nachdenken wolle. „Es kann dahingestellt bleiben, ob die bisherige Rechtsprechung [...] weiter Bestand haben kann“, hieß es damals.

Offensichtlich will Karlsruhe aber noch etwas Zeit gewinnen. Die Verfassungsbeschwerde des Wuppertalers blieb erfolglos, weil sein Anwalt die Grundrechtsverletzung „nicht hinreichend substantiiert“ dargelegt habe. Der gescholtene Anwalt Rüdiger Deckers meinte trocken: „Wenn man nicht entscheiden will, wird man immer einen Grund dafür finden.“

Beim Gericht liegen weitere Beschwerden zu diesem Thema vor. Ein Lügendetektor mißt körperliche Reaktionen wie Blutdruck und Schweißproduktion, um festzustellen, ob der Befragte wahrheitsgemäß antwortet. (Az. 2 BvR 1827 / 97) Christian Rath

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