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Die Langsamkeit des Dienens

■ Neu im Kino: „Palast des Schweigens“von Moufida Tlatli

Das Schweigen herrscht in diesem Film auf allen Ebenen: sowohl inhaltlich wie auch formal. Bis zum Schluß wird die junge Alia von ihrer Mutter nicht erfahren, wer ihr Vater ist. Man spricht nicht über die wirklich wichtigen Dinge unter den Dienerinnen der Beys von Tunis, auch wenn jeder weiß, daß einer von den feudalen Herren Khedija geschwängert haben muß; auch wenn der Hausherr offensichtlich väterliche Gefühle für das junge Mädchen hegt. Schweigsam ist auch Alia selbst, der wir in fast jeder Einstellung des Films folgen und deren Passivität zuerst ein wenig irritiert, weil alles so langsam passiert und man erst mit der Zeit ergründet, warum sie denn immer so wunderschön traurig ist. An den Rhythmus des Films muß man sich langsam gewöhnen, aber nach etwa einer Stunde, also etwa zur Hälfte des Films, beginnt man den konsequenten Stil der jungen tunesischen Filmemacherin Moufida Tlatli und ihren genauen Blicks fürs Detail zu schätzen: „Die Dienerinnen des Palastes müssen Tag für Tag Essen zubereiten, die Wäsche waschen, bügeln...die Zeit dehnt sich hier ins Unendliche. Die Langsamkeit ihres Lebens sollte sich in meinem Gebrauch der Kamera abbilden.“

Im Laufe des Films lernt man auch, aus den Blicken und Gesten zu lesen, das gemeinsame Arbeiten, Singen und Plaudern der Frauen als ihre Glücksmomente zu erkennen und die Küche als die Oase im Gefängnis des Palastes. Und die schweigsame, schöne Alia entpuppt sich als Rebellin, die wir zuerst immer nur fortlaufen sehen, die später aber mit der Musik ihr Sprachrohr findet. Lächeln tut sie nur beim Singen oder mit der Laute in der Hand. Und auch wenn wir in der (durch verschiedene Zeitebenen verschachtelten) Erzählung schon zu Beginn des Films erfahren, daß sie später in ihrer Profession als Sängerin scheitern, und ihr Leben viele tragische Parallelen zu dem ihrer Mutter aufweisen wird, sind doch die Szenen, in denen sie singt, die wenigen utopischen Momente des Films.

Es ist verblüffend, gerade aus Nordafrika solch einen Film zu sehen, der konsequent aus der weiblichen Perspektive erzählt. Auch wenn er scheinbar von den 50er und 60er Jahren berichtet, ist „Palast des Schweigens“im Tunesien von heute so aktuell und radikal, daß er bisher nur ein einziges Mal in Tunis gezeigt werden durfte, obwohl er mit Auszeichnungen in Cannes, San Francisco und Toronto der international erfolgreichste Film ist, der in den letzten Jahren aus Nordafrika gekommen ist. Soviel hat sich offensichtlich nicht geändert seit den feudalen Zeiten, als im Palast der letzten Königsfamilie die Dienerinnen ihren Herren jederzeit sexuell gefällig sein mußten, und alle Frauen zu schweigen hatten. Wenn „Palast des Schweigens“trotz der in ihm herrschenden bedrückenden Atmosphäre keine deprimierende soziale Anklage ist, liegt dies am poetische Blick der Filmemacherin. Ihr Film verliert sich nie in billige Exotik (dies ist alles andere als „Tausendundeine Nacht“), aber jede Einstellung ist von makelloser Schönheit. Und die größte künstlerische Leistung von Moufida Tlatlis ist, daß es in der Küche schöner ist als im Salon. Die Köchin, die den Brotteig knetet, sieht in diesem Film prächtiger aus als der genüßlich seine Zigarre rauchende Bey. So wird durch die Bilder das Schweigen im Palast sehr beredt. Wilfried Hippen

Cinema tägl. 19 Uhr

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