piwik no script img

Mehr Arme und weniger Kinder

■ Mikrozensus 1991 bis 1997: Immer mehr Familien sind von Sozialhilfe abhängig. Die Geburtenrate sinkt, das Durchschnittsalter steigt

Immer mehr Menschen haben immer weniger Geld zur Verfügung: In den vergangenen sieben Jahren verdoppelte sich die Zahl der Familien, die von Arbeitslosenhilfe leben. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der auf Sozialhilfe angewiesenen Familien sogar auf das Dreifache. Das belegen die neuesten Zahlen des Mikrozensus – einer alljährlichen Befragung von 18.000 Haushalten in Berlin. Außerdem werden die BerlinerInnen im Durchschnitt älter, und es werden weniger Kinder geboren.

Zunehmend sind Kinder ein Armutsrisiko, weisen die Zahlen des Mikrozensus nach: 18 Prozent der Familien mit Kindern unter 18 Jahren leben von Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe, bei Ehepaaren ohne Kinder dagegen ist dies nur bei 8 Prozent der Fall, erklärte Günther Appel, Direktor des Statistischen Landesamtes. Dabei lassen sich bei der Einkommensstruktur keine Unterschiede mehr im Ost- und Westteil der Stadt ausmachen, vielmehr unterscheiden sich die einzelnen Bezirke. So liegt das mittlere Einkommen einer Familie in Marzahn um rund 1.000 Mark höher als das einer Kreuzberger Familie, weil in den Ost-Bezirken häufiger beide Elternteile einer Erwerbsarbeit nachgehen. Das Durchschnittseinkommen von Ehepaaren mit Kindern im Osten Berlins liegt mit 4.700 Mark um 300 Mark über dem Westberliner Durchschnitt.

Insgesamt gebe es immer weniger Kinder in der Stadt, erklärte Appel. Zwischen 1991 und 1997 habe die Zahl der Menschen unter 18 Jahren um 40.000 abgenommen. Kurz nach der Wiedervereinigung lag die Geburtenrate im Ostteil der Stadt noch deutlich über der im Westteil. Nach dem drastischen Einbruch der Geburtenrate im Osten in den Jahren 1991/92 auf 50 Prozent des Westniveaus haben sich seit 1996 die Geburten in beiden Teilen der Stadt auf ähnlichem Niveau eingependelt. Geldmachen statt Kinderzeugen habe in dieser Zeit bei der Bevölkerung im Osten im Vordergrund gestanden, weil sie das soziale Gefälle zum Westen hatte ausgleichen wollen, erklärte Appel. Seit 1994 stagnierten auch die Geburtenraten ausländischer Familien, die bisher stets den Rückgang kompensiert hatten.

Der Trend gehe dahin, daß immer weniger Ehepaare, aber mehr unverheiratete Paare und Alleinerziehende Kinder haben. Die Zahl unehelicher Lebensgemeinschaften und Alleinerziehender stieg um 15 Prozent. Die sinkende Geburtenrate drücke sich auch darin aus, daß 1991 der Durchschnittsberliner noch 39 Jahre alt war, heute aber im Schnitt ein Jahr älter ist – eine charakteristische Tendenz für Deutschland, so Appel. Britta Steffenhagen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen