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Kranke Kinder, alte Pferde und Kartoffeln

■ Keine Angst vor falschen Freunden: Margret Ebert ist Millionärin – auch das will gelernt sein

Das Gartentor steht offen, die Villentür ist angelehnt. Die Hausherrin trägt einen blau-grünen Jogginganzug und Ökosocken. Gäste bittet sie, die Schuhe auszuziehen. An den Wänden großformatige Kunst. Frauenbilder und Abstraktes – graue Flächen wie regnende Wolken vor gelbem und rotem Grund. Margret Ebert* wohnt hier mit ihrer Freundin.

„Ich ging nie davon aus, daß ich einmal meinen Lebensunterhalt selbst verdienen müßte“, sagt die 49jährige nachdenklich. Als Abiturientin hatte sie noch keinen Betrieb von innen gesehen, obwohl sie von den Erträgen einer großen Firma lebte. Die Lehre als Industriekauffrau machte sie um der Erfahrung willen. Ihre Familie hatte ihr dazu geraten. Ein bißchen Realitätsbezug wäre nach den Jahren im Internat wohl ganz sinnvoll.

Halb fünf aufstehen, S-Bahn, Stechuhr. In der Firma lernte Ebert nicht nur Bilanzbuchhaltung. Sie mußte auch in die Produktion – Klingelschaltungen herstellen. „Ich fand das gut. Heute kann ich vieles selbst reparieren, ich mache so etwas gerne“, sagt die Frau mit den blonden Locken und hellblauen Augen, die fast durchsichtig wirkt und doch ganz präsent auf dem antiken Sofa sitzt. Irgendwann kaufte sie sich dann einen BMW. Ihre Augen blitzen: „Der war getunt und fuhr 210 Stundenkilometer. Mir machte das schnelle Fahren damals total Spaß.“ Nach ein paar Tagen jedoch fühlte sich die schnelle Margret unwohl. Zwar hatte niemand was gesagt, nachdem sie, der Lehrling, auf einmal mit dem großen Auto auf dem Werkshof parkte. Dennoch war ihr mulmig. So stellte sie den Wagen lieber ein paar Ecken weiter ab und ging das letzte Stück zu Fuß. Während ihres Studiums lud Margret Ebert nur selten ihre Kommilitonen zu sich nach Hause ein. „Meine Zweieinhalb-Zimmer- Wohnung war nicht superluxoriös. Aber es war eben auch keine Studentenbude.“ Da half nur noch Abstand: „Wenn ich nicht nach Indien gefahren wäre, wäre ich schizophren geworden.“

Ihre nächste Station war also Bombay. Überall Bettler. „Ich wußte nicht, wo ich hingucken sollte, ich sah sie und sah an ihnen vorbei.“ Margret Ebert schloß sich einer Meditationsgruppe an. „Dort habe ich gelernt, zu dem zu stehen, was ich bin.“ Seither schaut sie Bettlern in die Augen. Und kauft eine Obdachlosenzeitung nur, wenn sie es will.

Inzwischen ist der elterliche Betrieb verkauft. Margret Ebert verfügt über viele Millionen. Sie betreibt zusammen mit ihrer Freundin eine Finanzfirma, die das Geld verwaltet – und vermehrt. Wozu? „Man kann das ja nicht einfach aufs Sparbuch legen.“ Fünf bis sechs Stunden am Tag ist sie mit Vermögensfragen beschäftigt. Wenn Hilfsorganisationen und Dritte-Welt-Gruppen auf sie zukommen – und das passiert regelmäßig –, beschäftigt sie sich intensiv mit den Projekten. Sie checkt die Fakten und versucht herauszufinden, ob das Konzept durchdacht ist. Sie spendet für kranke Kinder und alte Pferde. Und jedes mal fragt sie sich, was sie selbst dabei bewegt. Geht es um die Sache? Will sie jemanden das Problem abnehmen oder es einfach aus ihren Gedanken verbannen?

Margret Ebert fürchtet keine falschen Freunde. Natürlich bezahlt sie im Restaurant für alle am Tisch. Aber nur, wenn das für die anderen in Ordnung ist. Sie selbst bestellt weder Shrimps noch Kaviar. „Kann ich nicht ausstehen.“ Am liebsten ißt sie Kartoffeln.

*Name von der Redaktion geändert

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