Kitagebühren als dickes Faustpfand

■ Eltern wollen Kitagebühren für Juni nicht an die Bezirksämter, sondern auf ein Sonderkonto überweisen. Damit sollen Forderungen nach Verbesserungen bei Kitas Nachdruck erhalten. Keine Gefahr von Kündigun

Der Landeselternausschuß für die Berliner Kindertagesstätten macht mobil: Aus Protest gegen Kostenerhöhungen im Kitabereich bei gleichzeitiger Absenkung der Betreuungsstandards werden Eltern von Kindern in öffentlichen Kitas aufgefordert, ihren Juni- Beitrag auf ein Sonderkonto der Elternvertreter zu überweisen. Der Landeselternausschuß will das Geld als Faustpfand einsetzen, um mit dem Senat über Verbesserungen in den Kitas zu verhandeln.

Nach Ansicht von Burkhard Entrup vom Landeselternausschuß soll zum einen der Senat dadurch gezwungen werden, den Bezirkskassen wieder Geld für Vertretungserzieherinnen zahlen. Bis 1994 wurden etwa zwei Prozent der Erzieherinnen aus diesem Vertretungsfonds – er betrug etwa 900.000 Mark pro Bezirk – bezahlt. Seit 1995 ist dieses Geld ersatzlos gestrichen. Die Folge: Ist eine Erzieherin krank oder im Urlaub, so werden Gruppen zusammengelegt. „30 Kinder pro Erzieherin ist seither keine Seltenheit“, erläutert Entrup die mißliche Lage. Eine pädagogische Betreuung sei unter diesen Umständen nicht möglich. „Die Kitas verkommen zu Aufbewahrstätten. Den Kindern fehlen Bezugspersonen.“

Als zweite Forderung nennt Entrup die Verhinderung weiterer personeller Verschlechterungen im Kitabereich. Und drittens sollten die Kostenbeteiligungen zumindest der Eltern mit geringem Einkommen gesenkt werden.

Schon zu Jahresbeginn, erinnerten Entrup und der Elternvertreter Jan Hilbrecht, hatte es eine Kostenerhöhung gegeben. Seit 1982 hätten sich für viele Eltern die Kosten verdoppelt. Die Folge: Viele Eltern melden ihre Kinder aus Kostengründen ab. Allein in diesem Jahr gab es beispielsweise in Hellersdorf 270 und in Spandau 40 Abmeldungen aus Kostengründen. Entrup: „Ich frage mich, was mit diesen Kindern geschieht.“ Der Senat würde auf diese Weise viele schulische Probleme erst erzeugen. So wären die Deutschkenntnisse von ausländischen Kindern zur Einschulung weit besser, wenn sie vorher eine Kita besucht hätten. „Wenn Acht- bis Elfjährige nach der Schule sich selbst überlassen werden, schafft das in Zukunft sozialen Sprengstoff.“

Die „Aktion Umverteilung Juni 1998“ nimmt sich eine ähnliche Kosteneinbehaltung von Kreuzberger Eltern aus dem Vorjahr zum Vorbild. Mit der Einbehaltung eines Monatsbeitrages durch 600 Eltern konnten diese beim Jugendamt eine Erhöhung der Gelder für Spiel- und Bastelmaterial sowie Geld für Kitareisen in den Grunewald durchsetzen. Erst nach drei Monaten mit zähen Verhandlungen überwiesen die Eltern damals die 90.000 Mark von dem Sonderkonto an die Bezirkskasse.

Der Landeselternausschuß ist sich darüber im klaren, daß die Aktion den Eltern einiges abverlangt – mehr als nur die Teilnahme an einer Demonstration. „Die Kitademos in den letzten Jahren haben die Politiker nicht wahrgenommen“, meinen die Elternvertreter. An der Aktion sollten nur Eltern teilnehmen, deren Kinder in öffentlichen Kitas betreut werden. Man sollte bis Mitte Mai seine Einzugsermächtigung für Juni kündigen. Den Junibeitrag sollen die Eltern auf das Sonderkonto des jeweiligen Bezirkes überweisen. Ab Juli müßte das Geld per Dauerauftrag wieder an die Bezirkskasse überwiesen werden. Karin Gerstel vom Bezirkselternausschuß rät davon ab, erneut eine Einzugsermächtigung zu veranlassen, „weil sonst der ausstehende Betrag automatisch abgezogen würde“.

Die Gefahr einer Kündigung des Kitaplatzes weisen die Elternvertreter zurück. „Erst wer mit zwei Monatsbeiträgen in der Kreide steht, kann fristlos gekündigt werden.“ Der Landeselternausschuß stellt sich zudem auf den Standpunkt, eine Kündigung wegen Teilnahme an Protestaktionen wäre eine politisch motivierte Kündigung. „Und die hat es bislang nicht gegeben.“ Ein kleiner Trost: Die JugendstadträtInnen von Kreuzberg, Friedrichshain und Steglitz hätten gegenüber den Elternvertretern Kündigungen im Zusammenhang mit Umverteilaktion ausgeschlossen. Marina Mai