: Globalisierung legt eine Zwangspause ein
Verhandlungen über das multilaterale Investitionsabkommen (MAI) und über eine US-EU-Freihandelszone werden ausgesetzt. Französische Kulturschaffende und Gewerkschaften feiern ihren Etappensieg ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Es sollte eine „Kampfveranstaltung gegen den neoliberalen Angriff“ werden – es geriet zum Freudenfest: FilmemacherInnen, MusikerInnen, GewerkschafterInnen, Arbeitslose und UmweltschützerInnen genossen gestern in einem Pariser Park ihren doppelten Erfolg gegen die Globalisierung. Gegen den Widerstand von OECD und EU haben sie zwei Abkommen zu Fall gebracht – vorübergehend zumindest. Beide Abkommen sollen den Multis freie Hand bei Direktinvestitionen und transatlantischem Handel gewähren. Den Einfluß von Regierungen und Gewerkschaften auf das Wirtschaftsgeschehen würden sie noch weiter reduzieren.
Die beiden umstrittenen Abkommen – MAI (multilaterales Investitionsabkommen) und NTM (neuer transatlantischer Markt) – wurden unter Ausschluß der Öffentlichkeit ausgehandelt. Erst Ende vergangenen Jahres machten französische KünstlerInnen und US-amerikanische UmweltschützerInnen ihren Inhalt bekannt. „Unsere Produktionshäuser würden in fünf Minuten von US-Unternehmen aufgekauft“, erklärte Filmemacher Bertrand Tavernier. Sein Kollege Jean-Jacques Beneix bemängelte, daß künftig die französischen Filmsubventionen auch an die US-Filmindustrie verteilt werden müßten, weil das MAI die Diskriminierung von InvestorInnen verbietet. Daraufhin erkannten auch die regierenden SozialistInnen in dem Abkommen einen „unzulässigen Verlust an nationaler Souveränität“.
Erst gestern, nachdem der in Paris tagende OECD-Ministerrat das MAI um sechs Monate verschoben hatte, verlangten einige Regierungen einen „kritischen Dialog mit Parlament und Öffentlichkeit“. Dabei gehe es um die „sensibelsten Punkte Umwelt und Sozialangelegenheiten“, so der Bonner Staatssekretär Schomerus. Am Prinzip MAI, wonach InvestorInnen Regierungen verklagen können, die sie mit Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik „behindern“, will die OECD aber festhalten.
Das zweite umstrittene Abkommen, NTM, das im Jahr 2010 eine von den USA bis zur EU reichende Freihandelszone vorsieht, lehnte die EU am Montag ab. Als Begründung nannten die RegierungsvertreterInnen US-amerikanische Handelshemmnisse. Solange es in den USA noch Gesetze gebe, die ausländische Investoren in Kuba, Libyen und Iran bestrafen wollen, „wird es NTM nicht geben“, erklärte Frankreichs Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn.
Verschoben ist nicht aufgehoben: „Wir müssen wachsam sein, die Multis werden sich nicht geschlagen geben“, warnten die OrganisatorInnen des Freudenfestes.
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