: Mein Dreck ist reine Privatsache
Stadtreinigung verliert ihr Monopol auf Gewerbemüll. Privat-Entsorger kündigt „Gebührenvorteile“für 4000 Firmenkunden an ■ Von Heike Haarhoff
Die Stadtreinigung verliert ihr Monopol. Ab diesem Sommer muß die städtische Müllabfuhr erstmals mit einem privaten Entsorger um die Gewerbeabfälle dieser Stadt konkurrieren. Der Fachverband Hamburger Einzelhandel (FHE) und die Wirtschaftsvereinigung Groß- und Außenhandel (WGA) bieten ihren 4000 Mitgliedsunternehmen an, deren Müll von einer eigens gegründeten Entsorgungs-Firma (FHE-Verband) abholen, sortieren und beseitigen zu lassen.
Ein Novum: Erstmals in der Bundesrepublik nutzt damit ein Unternehmensverband die Möglichkeit, die das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1994 seit einem Jahr erlaubt: Gewerbemüll privatwirtschaftlich zu entsorgen. Der Hausmüll dagegen bleibt weiterhin in alleiniger Hand der Stadtreinigung.
Die Umweltbehörde, die das Vorhaben zunächst aus Öko-Skepsis ablehnte, will den Privat-Ent-sorger nun doch zulassen. Am Donnerstag gab Umweltsenator Alexander Porschke (GAL), zugleich Aufsichtsratschef der Stadtreinigung, die entsprechende „Einigung“mit FHE und WGA bekannt.
Danach wird, „sobald letzte Einzelheiten geklärt sind“, der Privat-Entsorger seinen Mitgliedern anbieten, die Jahres-Abfallbilanzen für sie zu erstellen und ihren Dreck von der Tonne bis zur Müllverbrennungsanlage zu betreuen. WGA-Hauptgeschäftsführer Raven Karalus hofft, dadurch „Gebührenvorteile zu erzielen“. Denn anders als die Stadtreinigung will der Verband den Gewerbemüll zunächst nach recyclebaren Stoffen sortieren und nur den Rest in den teuren Hamburger Verbrennungsanlagen verfeuern. Um bis zu 30 Prozent, schätzt Karalus, könnte das Müllaufkommen der Unternehmen so gesenkt werden.
Insgesamt, so verlautet aus gut informierten Kreisen, gehen der Stadtreinigung durch die Konkurrenz mindestens drei Prozent des jährlichen Hamburger Gewerbemüllaufkommens (1997: 142.343 Tonnen) durch die Lappen, Tendenz steigend, denn weitere Privat-Entsorger könnten sich auf dem Markt etablieren. „Wir wissen noch nicht, welcher Verlust auf uns zukommt“, gesteht Stadtreinigungs-Sprecher Andree Möller. Wie man „gegensteuern“wolle, sei „noch nicht zu sagen“.
Müllverbrennungsanlagen arbeiten nur dann wirtschaftlich, wenn sie voll ausgelastet sind. Sinkt das Müllaufkommen, hat die Stadtreinigung ein Problem. Aber, beschwichtigt Möller: „Eine Müllgebührenerhöhung“, die übrigens alle, auch die privaten Haushalte treffen würde, „wird es nicht unbedingt geben“.
„Das Kreislaufwirtschaftsgesetz existiert nun einmal“, erklärt Umweltbehörden-Sprecherin Brigitte Köhnlein, daß alles noch schlimmer hätte kommen können. So hätten FHE und WGA ihren Müll zu Dumpingpreisen unter schlechtesten ökologischen Standards verfeuern können – in Zementwerken beispielsweise, die im Gegensatz zu Verbrennungsanlagen über keine Schadstoff-Filter verfügen. Doch habe sich der Verband verpflichtet, den Restmüll weiterhin in den vier Hamburger Anlagen zu verbrennen.
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