: Berufsbildung ist in – Autofrickeln out
■ Das Frauenbildungshaus Altenbücken zieht Bilanz nach zehn Jahren Frauenbildung / „Szenefrauen“und zunehmend berufstätige Frauen besuchen die feministische Bildungsstätte / Mittlerweile ist das Haus in Altenbücken voll etabliert
Die Erbinnen der Neuen Frauenbewegung feiern: Das Bildungshaus Altenbücken geht ins zehnte Jahr. Für die taz ein Anlaß zur kurzen Bilanz über das Gestern und Heute der Einrichtung, die sich seit 1988 vor den Toren Bremens der feministischen Frauenbildungsarbeit verschrieben hat.
taz: Das Frauenbildungshaus Altenbücken hat die vergangenen zehn Jahre heil überstanden – und sogar expandiert. Fühlt Ihr Euch jetzt als Siegerinnen? Immerhin waren die öffentlichen Spar-strümpfe doch schon ziemlich leer, als Ihr angefangen habt.
Ingeborg Kaußen, Teamfrau: Wir haben immerhin ein schönes großes Haus, schon äußerlich macht das den Eindruck eines Sieges. Und wir sind fest entschlossen, weiterzumachen – wobei es nicht nur rosig aussieht. Vor allem die staatliche Unterstützung wird weniger. Seminare und Personalstellen werden geringer bezuschußt, und weniger Bildungsurlaube werden genehmigt. Wir befürchten auch negative Folgen durch die Neuordnung im niedersächsischen Frauenministerium.
Was unterscheidet Eure Teilnehmerinnen heute von denen früher?
Die Frauen wollen sich zumeist mehr auf Inhalte und Themen der Seminare konzentrieren. Berufsbezogenes Lernen wird groß geschrieben. In den letzten Jahren haben wir deshalb Service und Leistung stark ausgebaut. Im Tagungshaus wird sowieso nur noch Vollverpflegung inklusive Endreinigung angeboten; im Bildungshaus gibt es nach einer Grundsanierung eine neue Kücheneinrichtung und mittags warme Mahlzeiten, zu denen man sich nur noch an den Tisch setzen muß.
Wieviel Standfestigkeit brauchtet Ihr, um bei der Sache zu bleiben?
Viel. Wir haben uns ja ursprünglich aus der Frauen- und Lesbenbewegung heraus gegründet, die uns anfangs unterstützt hat. Diese politische Bewegung gibt es heute so nicht mehr; jede muß heute in ihrem Projekt gucken, wie sie überlebt – auch mit dem Themenangebot. Dazu kommt, daß die traditionellen Bildungseinrichtungen wie Gewerkschaften und Volkshochschule unsere Frauenthemen aufgegriffen und damit auch potentielle Kundinnen angesprochen haben.
Dabei habt Ihr in Eurem Programm von 1988 noch geschrieben, Ihr wolltet Frauen „vernetzen“. Habt Ihr diesen Anspruch aufgegeben?
Nein. Nach wie vor gibt es jährliche Treffen aller Frauenbildungshäuser, bei denen programmatisch diskutiert wird. Und in unseren Seminaren passiert ja die ganze Zeit nichts anderes – da gibt es ständig Austausch untereinander.
Wer kommt heute zu Euch? Gibt es jungen „Nachwuchs“?
Es kommen viele verschiedene Frauen: nach wie vor die sogenannten „Szenefrauen“, die uns schon seit zehn Jahren kennen. Aber insgesamt hat sich das Spektrum der Teilnehmerinnen erweitert. Wir profitieren dabei von den Medien, die frauenpolitische Themen verstärkt aufarbeiten. Dadurch kommen zunehmend viele berufstätige Frauen zu uns, die früher keinen Zugang gefunden haben.
Euer Programm hat sich seit dem Gründungsjahr 1988, wo Selbsterfahrung, Rebirthing, Astrologie, Tanz der Schlange und so weiter ganz groß geschrieben wurden, doch stark verändert. Heute spielt die berufsbezogene Fortbildung bei Euch eine große Rolle. Wo steht Altenbücken da im Vergleich mit den anderen deutschen Frauenbildungshäusern?
Seit wir das Frauentagungshaus eröffnet haben, sind wir wirklich das einzige mit einem solch spezifischen Angebot für Frauen. Wir haben lang- und kurzfristige Aus- und Fortbildung zu den Bereichen Supervision, Mediation und Beratung im Programm. Unser Frauenbildungshaus hat dagegen mehr die allgemeine Berufs- und Lebensfindung zum Schwerpunkt. Dazu kommen die Themen Gesundheit und Heilung und als dritter Schwerpunkt auch die buddhistische Meditation – als Suche nach dem Befreiungsweg; dafür haben wir sogar Wartelisten. Insgesamt muß man sagen, daß die Qualifikationsanforderungen an die Referentinnen sowohl von unserer Seite als auch seitens der Teilnehmerinnen stark gestiegen sind.
Was könntet Ihr heute nicht mehr als Seminar anbieten?
Elektro-, Auto- und Motorradreparaturkurse z.B. Es gibt genug Frauenwerkstätten – und außerdem glauben Frauen heute nicht mehr, sie müßten alles selber frickeln.
Mit einem Frauen- und Lesbenprojekt in ein Dorf wie Altenbücken zu ziehen, war ja anfangs nicht einfach. Was hat Euer Projekt denn im Dorf verändert?
Nach zehn Jahren sind wir hier integriert und etabliert, angekommen einfach. Am Anfang ist uns viel Skepsis entgegengeschlagen, zumal keine von uns aus Altenbücken kam. Das hat sich heute alles geändert. Über den Tag der offenen Tür, über nachbarschaftliche Kontakte, Eier holen, zum Sommerfest der Gemeinde gehen.... ich glaube, wir haben eine gewisse Offenheit ins Dorf gebracht, wir leben vielleicht ein wenig anders – aber wir sind gar nicht so exotisch wie vielleicht befürchtet.
Die Frauenbewegung war in vielen Bereichen innovativ. Was dürfen die Frauen in den nächsten Jahren an neuen Impulsen von Euch erwarten?
Wir werden mehr zu Gesundheitsthemen arbeiten. Es gibt eine neue Art der ganzheitlichen Behandlung, die Cranio-Sacral-Therapie, die wir als Fortbildung für Krankengymnastinnen, Ergotherapeutinnen, Heilpraktikerinnen anbieten. Dann wird es Kurse für Frauen geben, die von Krebs betroffen sind. Jede zehnte Frau bekommt heute Brustkrebs. Und wir werden den spirituellen Aspekt ausbauen. Es gibt in Deutschland zwei feministische Meditationslehrerinnen; bald werden wir beide für uns verpflichtet haben.
Fragen: Eva Rhode
Das Jahresprogramm kann angefordert werden beim Frauenbildungshaus Altenbücken, Schürmannsweg 25, 27333 Bücken
04251-7899
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