■ Querspalte: Die staatlich perfekte Ehe
Wie es sich für eine gute Regierung gehört, macht sich die von Singapur so ihre Gedanken um das Wohlergehen ihrer Bürger. Die Herrschenden haben es dabei zu wahrer Meisterschaft gebracht. Nichts wird dem Zufall überlassen. Weil in dem wirtschaftlich erfolgreichen Staat Manager und Managerinnen immer weniger Zeit für traditionelle Einrichtungen wie die Ehe, geschweigen denn für das Kennenlernen haben, wurde schon vor Jahren ein staatliches Eheanbahnungsinstitut eingerichtet. Auf der Basis des Intelligenzquotienten hilft der Staat bei der Suche nach der besseren Hälfte. Jetzt wird die Partnervermittlung auch vom Sozialministerium im Internet angeboten. Unter http://www.sdu.gov.sg lassen sich „jederzeit und bequem vom Büro oder von zu Hause aus“, wie die Homepage betont, Kontakte knüpfen. Wegen starker Nachfrage soll jetzt auch ein eigener Chat-Room für intime Plaudereien eingerichtet werden.
Doch auch in Singapur ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Regierung hat zu ihrem Verdruß festgestellt, daß vor allem die Minderheit der Muslime sich häufig scheiden läßt. Trennten sich 1995 noch 983 muslimische Paare, waren es 1996 gar schon 1.088, obgleich seit 1990 ein sechswöchiger Crashkurs für heiratswillige muslimische Paare Pflicht ist. Ab Juli werden diese Kurse jetzt verschärft und in zwei Versionen angeboten, berichtete die Straits Times: Version eins für die „Risikogruppe“ muslimischer Unterschichten, Typ zwei für „Durchschnittsmuslime“. Die Kurse sollen interaktiver werden, und es seien Kommunikationsübungen vorgesehen. Da auch deutsche Behörden von künftigen ausländischen EhepartnerInnen binationaler Ehen ein sogenanntes Ehefähigkeitszeugnis verlangen, stellt sich die Frage, wann endlich Kurse für Regierende über die dringend notwendigen Grenzen staatlichen Handelns eingeführt werden. Unter http:// www.nein.danke könnte dann die Regelungswut der Herrschenden jederzeit und bequem vom Büro oder von zu Hause aus in die Schranken verwiesen werden. Sven Hansen
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