piwik no script img

Schuldig am Völkermord

■ UN-Tribunal verurteilt Ruandas Ex-Präsidenten

Arusha (dpa/AFP) – Das internationale Ruanda-Tribunal im tansanischen Arusha hat den früheren ruandischen Ministerpräsidenten Jean Kambanda gestern für schuldig befunden, für Völkermord und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein. Unmittelbar zuvor hatte er als erster von 23 Angeklagten vor dem UN-Gerichtshof seine Schuld an den Massakern an der Tutsi-Minderheit im Jahre 1994 bekannt – auch in den Anklagepunkten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aufwiegelung zum Rassenhaß. Ein Strafmaß wurde zunächst nicht festgesetzt. Die mögliche Höchstrafe ist lebenslange Haft.

Er sei sich der Tragweite seiner Äußerungen bewußt und habe sich aus freiem Willen und ohne Druck schuldig erklärt, sagte Kambanda dem Richter. Ihm seien keine Vergünstigungen für seine Aussage angeboten worden. Kambanda soll jetzt als Zeuge gegen die Mitangeklagten aussagen und dadurch die Möglichkeit erhalten, das eigene Strafmaß zu mildern.

„Es ist offensichtlich“, analysierte ein erfahrener Prozeßbeobachter nach dem Schuldbekenntnis, „daß da ein Deal ausgehandelt wurde.“ Als sicher gilt, daß Kambandas Aussagen die Verfahren vor dem Ruanda-Tribunal enorm beschleunigen, den Nachweis der Schuld anderer Angeklagter und damit erstmals auch Verurteilungen schneller herbeiführen können. Der 42jährige studierte Ökonom und frühere Angestellte der ruandischen Volksbank stand im Zentrum der Macht, als die Massaker begannen. Er kannte die Befehlsstrukturen der Hutu-Banden, der Armee und des Geheimdienstes, deren Schergen den lange vorbereiteten Völkermord begingen. Kambanda war im Juli letzten Jahres in Kenia festgenommen und dem UN-Tribunal überstellt worden.

In Ruanda selbst wurden bislang mehr als 100 Menschen wegen der Massaker zum Tod verurteilt, 22 von ihnen kürzlich öffentlich hingerichtet.

1994 waren mehr als eine halbe Million Tutsi sowie Zehntausende als politisch moderat angesehene Hutu von Hutu-Extremisten abgeschlachtet worden. Kambanda habe immer wieder öffentlich zur Ausrottung der Tutsi-Bevölkerung aufgerufen und konkrete Anweisungen für die Mordfeldzüge gegeben oder sie bewußt geduldet, warf ihm die Anklage vor. Einmal sei ihm beispielsweise die Anfrage vorgelegt worden, ob man eine Gruppe von Kindern schonen solle, die bei einem Massaker in der Ortschaft Kibye übersehen worden waren. „Kambanda reagierte gar nicht, und noch am selben Tag wurden alle Kinder getötet.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen