Lieber kein Bochumer sein

■ Werders Massel auf dem Weg in den UEFA-Cup – und Bochum leidet nach dem 1:0

Man mochte lieber kein Bochumer sein am späten Samstag nachmittag. Schon gar kein Bochumer Fußballspieler und erst recht keiner von denen, die da gerade vom Platz des Weserstadions geschlichen waren. Nein, mit diesem Übungsleiter mochte man nach diesem Spiel sicher nicht gemeinsam im Bus in den Pott zurückgondeln. Noch eine gute Dreiviertelstunde nach dem Abpfiff saß Trainer Klaus Toppmöller weiß vor Ärger und stinkig bis zur Halskrause im Werder-Presseraum. „Hier hat die eindeutig bessere Mannschaft das Spiel verloren“– und man konnte sich die Fortsetzung seiner Rede im Bus lebhaft vorstellen. Nein, man mochte lieber kein Bochumer sein nach dem Betriebsausflug zur Bremer Masseltruppe.

Alles hatten sie in der Hand gehabt, seine Jungs: Die pomadigen und bleibeinigen Werderaner, damit das Spiel, und die Chance, sich endgültig aus den Abstiegsrängen zu verabschieden. Sie hatten sich drei, vier hundertprozentige Torchancen erspielt – und alles vergeigt: kein Tor geschossen, kurz vor Ultimo eins kassiert, und wieder in Abstiegsnot gerutscht. Letztlich selbstgemachte Leiden.

So ist das eben, wenn man den gepflegten, schnellen Kurzpaß aus der eigenen Hälfte heraus spielt, aber vor dem gegnerischen Strafraum in Ideenlosigkeit und Unvermögen verfällt. So ist das eben mit den selbstgemachten Leiden. Aber sie konnten einem schon leid tun, diese Bochumer.

Andersrum kann sich das Bremer Publikum schon mal auf internationale Spiele einstellen. Wer so viel Massel hat wie Werder an diesem Samstag, der gewinnt auch noch den letzten Saisonkick in Stuttgart und rutscht damit in den UEFA-Cup. Wer eines der schlechtesten Heimspiele der Saison durch ein Tor knapp zehn Minuten vor Schluß durch einen gerade eingewechselten Spieler nach Hause schaukelt, wem dann auch noch der Fußballgott verlorene Spiele aller Mitkonkurrenten vom Himmel wirft – dem ist alles zuzutrauen.

Oh, der heilige Zorn könnte nun herniederfahren auf die Skripniks, die sich großartigst Bochumer Angriffsbemühungen wegangelten, um dann die Pille wieder zum Gegner zu schieben.

Auf die Herzogs, die über den Platz trabten, als wären sie mit Valium 90 gedopt. Über die Bodes, die nachgerade Floesk den einen, den anderen und auch noch den dritten Paß vom Fuß springen ließen, auf daß der Gegenspieler sich so gar keine Mühe mehr geben mußte. Über die Frings – ach – und überhaupt: über die ganze Combo.

Alle, alle spielten für Werder, wie immer wieder per Anzeigetafel dem darob jubelnden Volk mitgeteilt wurde. Die Schalker, die Stuttgarter, die Rostocker – nur Werder nicht. Heiliger Zorn! Aber seien wir gnädig.

Und sehen das Positive. Erstens: Platz vier. So einfach können Fußballweisheiten sein. Zweitens: Die Abwehr um Libero Trares stand ziemlich prima. Mittlerweile haben die Bremer ihr viertes Spiel in Folge ohne Gegentor überstanden. Drittens: Trainer Sidka hat (zum wievielten Mal eigentlich schon?) ein glückliches Händchen beim Einwechseln bewiesen. Als zuerst Brand und Kunz und am Ende auch Maximov mittaten, sahen die Bremer Bemühungen nach Fußball aus.

Und als der großartige, aber vergrippte Maximov dann in der 81. Minute auch noch das Tor köpfte – nein, man mochte zu diesem Zeipunkt kein Bochumer sein.

Nun also ist die Teilnahme am UI-Cup sicher. Am kommenden Samstagstag gibt's in Stuttgart ein echtes Endspiel um die Teilnahme am UEFA-Cup. Dort wird es bis zur 75. Minute 0:0 stehen.

Dann werden Herr Maximov und Herr Flo den Platz betreten. Fünf Minuten später wird Herr Maximov Herrn Flo den Ball an den Kopf schießen, der VfB-Keeper wird sich sinnlos lang machen, und wir werden schreiben: Nein, man mochte kein Stuttgarter sein...

Jochen Grabler