: Überleben als abgespeckte Holding
■ Stadtwerke wollen Kraftwerke schließen und Service ausbauen
Das neue deutsche Energierecht verlangt von den Bremer Stadtwerken einen tiefgreifenden Umbau. Der Vorstandsvorsitzende Gerhard Jochum will die einzelnen Geschäftsfelder Netze, Stromerzeugung, Marketing und zentrale Dienste in eigenständige Tochterfirmen einer Stadtwerke-Holding umwandeln. Nur so lassen sich nach seiner Meinung effizientere Strukturen durchsetzen, da man freier am Markt operieren könne. Zudem will er so die Gesellschafterstruktur ändern. Bremen müsse Anteile abgeben.
Denn vor allem die Mehrheitsbeteiligung Bremens von 50,1 Prozent sei für private Investoren oftmals abschreckend, so Jochum. Eine erste Maßnahme, diese Abhängigkeit von der Politik zu durchbrechen, könnte eine Fusion mit den Stadtwerken Bremerhaven sein. Der stadtbremische Anteil an der fusionierten Firma würde auf etwa 45 Prozent sinken. Die Mehrheit der öffentlichen Hand sei nur kurzfristig, weil die Stadt Bremerhaven ihren Anteil zu Geld machen wolle.
Neue Gesellschafter sollten entweder Marktmacht oder benötigtes Know-how einbringen. „Ein reiner Geldgeber wie eine Bank interessiert uns nur wenig“, erläutert Jochum sein Vorhaben.
Zugleich setzt er auf die Fortführung alter Kooperationsgeschäfte. Zur Zeit läuft das Verfahren um die Strombelieferung der Stahlwerke Bremen. „Wir sind sehr guter Hoffnung, diesen Auftrag zu bekommen“, sagt Jochum. Zumal die PreussenElektra (ihr gehören 24,9 Prozent der Stadtwerke) nicht mitgeboten, sondern statt dessen „unser Angebot wohlwollend begleitet hat“. Zudem haben die Stadtwerke einen technischen Vorteil, den ein Neulieferant nicht hätte: Sie unterhalten zwei Netze. Wenn die Stahlwerke ihre Walzstraße anfahren und dabei am normalen Netz hängen würden, könnte sich dies auf den Haushaltsstrom auswirken und Probleme etwa bei EDV-Anlagen auslösen.
Im Bereich der Stromerzeugung will Jochum abspecken. Zur Zeit produzieren die Stadtwerke 90 Prozent des in Bremen verbrauchten Stroms selbst. „Das will ich runterfahren auf 50 Prozent. Der Rest soll über den Zukauf von außen oder über Kooperationsabkommen hinzukommen“, so Jochum. Dadurch will der Stadtwerke-Chef vor allem unrentable Kohlekraftwerke wie etwa im Hafen stillegen und Überkapazitäten abbauen. Derzeit haben die Stadtwerke eine maximale Kapazität von 1.073 Megawatt. „Zu Spitzenzeiten brauchen wir aber nur etwa 700 Megawatt.“
Alles in allem schwebt Jochum jetzt ein Infrastrukturdienstleister aus einer Mischung aus alten Stadtwerken und einem neuen Energieumweltdienst vor. Darum auch die Bewerbung um Teile der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB).
Auch in der Versorgung der Bremer Haushalte plant Jochum Neues. „Wie etwa in Großbritannien schweben mir neue Stromzähler in den Häusern vor, in die Scheckkarten gesteckt werden können. Diese kann man etwa am Kiosk wieder auffüllen und so seinen Strom kaufen – zum Sonderangebot.“ Jeti
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