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„Vertreibung aus dem Paradies“steht bevor

■ In der Energiewirtschaft ist nichts mehr, wie es war: Kommunale Stadtwerke sind nicht länger „zuständig“für die Stromversorgung, sondern müssen im Wettbewerb um die Kunden kämpfen /Die Stadtwerke Bremen und ihre Mitarbeiter stehen unter dem Druck des neuen Energierechts

tadtwerke-Chef Gerhard Jochum visiert ein „Bündnis für Arbeit“unter den etwa 2.500 Beschäftigten des Betriebs an. Nur so ließen sich Entlassungen von bis zu 700 MitarbeiterInnen verhindern, sagte der Vorstandsvorsitzende jetzt in einem taz-Gespräch. Um Kündigungen zu vermeiden, müßten mit dem Betriebsrat Vereinbarungen erzielt werden, um die Stadtwerke effizienter zu machen und die Personalkosten zu drücken.

Die Stadtwerke erreichen ein Spitzenlohnniveau unter allen Stadtwerken in Deutschland. Nach der „Gewinn-und-Verlust-Rechnung“des letzten Geschäftsberichtes 1996 erreichten die Ausgaben für Löhne und Gehälter 235 Millionen Mark und für soziale Aufwendungen 141 Millionen Mark. Bei damals 2.720 Beschäftigten ist dies ein Durchschnitt von 138.000 Mark pro MitarbeiterIn pro Jahr. taz-Informationen zufolge liegen die Bremer StadtwerkerInnen damit 30 Prozent über dem deutschen Durchschnitt und 20.000 Mark vor dem Zweitplazierten, den Stadtwerken Köln. Mit diesen Personalkosten könnten sich die Stadtwerke auf dem liberalisierten Strommarkt nicht behaupten, bilanziert Jochum.

Um als Partner attraktiv zu sein, müßten die Stadtwerke mehr Geld verdienen. Zum Vergleich zieht Jochum die Gewinne der Preußen-Elektra-AG (Preag) heran. „Wir haben 1996 einen Gewinn von 38 Millionen und im vergangenen Jahr von immerhin schon 97 Millionen Mark erzielt. Um aber in der Effizienz mit der Preag gleichzuziehen, müßten wir einen Gewinn von 260 Millionen Mark einfahren“, erläutert Jochum. Um die Kosten zu drücken, will der Stadtwerke-Chef jetzt an Besitzständen der Belegschaft rütteln. Zu den 40 verschiedenen Zulagen gehört bisher auch noch das „Hähnchengeld“. StadtwerkerInnen, die im Außendienst nicht in die Kantine können, bekommen den Gang an die Imbißbude bezahlt.

Als schwierigsten Faktor bei der Umgestaltung betrachtet Jochum den „kulturellen Wandel“, der sich im Betrieb vollziehen muß. Nach der gesicherten Existenz als kommunaler Stromversorger müssen sich die Stadtwerke jetzt im europaweit liberalisierten Strommarkt dem Wettbewerb um Kunden und Kooperationen stellen. Das sei für die StadtwerkerInnen die „Vertreibung aus dem Paradies“. „Dabei müssen wir schwer aufpassen, daß wir nicht zu spät kommen, wie uns dies bei den Überlandwerken Hannover (ÜNH) passiert ist“, warnt Jochum. Obwohl auch die Bremer sich für ÜNH interessierten, wurden sie von den Elektrizitätswerken Weser-Ems (EWE) geschluckt.

Um den Strukturwandel bei den Stadtwerken zu erreichen, existiert eine Arbeitsgruppe mit dem Namen „kultureller Wandel“. Wegen der Differenzen um Arbeitsplätze haben sich die Betriebsräte daraus aber verabschiedet. Jetzt fordert Jochum Verhandlungen mit dem Betriebsrat über ein Solidaritätsmodell bei denen „auch über Zulagen-Kürzungen debattiert werden muß“. Vorverhandlungen sollen im Mai und im Juni laufen, um danach die maximale Verhandlungsdauer von drei Monaten für einen Interessensausgleich zu haben.

Scheitert ein solches „Bündnis für Arbeit“will Jochum 500 bis 700 Jobs streichen, vor allem in den Bereichen Stromerzeugung (800 Beschäftigte) und Zentrale-Dienste (550 Beschäftigte). Jochum will die personalintensiven Kohlekraftwerke stillegen. Jens Tittmann

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