■ Kommentar: Schönbohms Scheitern
Der 1. Mai war für Innensenator Schönbohm seit seinem Amtsantritt immer „Bewährungsprobe“. Am 1. Mai 1996 wurden 201 Personen festgenommen, im vergangenen Jahr waren es bereits 325 Menschen. Da ist es nur konsequent, daß 1998 mit insgesamt knapp 460 Festgenommenen eine neue Bestleistung erzielt wurde. Schönbohm interpretiert das als Erfolg. Er will zudem eine neue Qualität der Gewalt gesehen haben. Das ist Unsinn. Tatsächlich ist diese Behauptung nur eine Vorwärtsverteidigung, die verdecken soll, daß Schönbohm mit einer Strategie gescheitert ist, die das Wort Deeskalation nicht mehr kennt.
Selbstverständlich steht die Polizei am 1. Mai vor einer schwierigen Aufgabe. Denn der Tag lockt zahlreiche Jugendliche an, die ganz ohne politische Motive einfach Krawall machen möchten. Eine laue Nacht und auch Straßenfeste mit reichlich Alkohol sind unterstützende Faktoren. Die Polizei hat aber in der Vergangenheit bewiesen, daß sie damit umgehen kann.
Jörg Schönbohm aber hat anderes im Sinn. Seine Strategie setzt auf eine militärische Logik, nicht auf eine politische. Damit muß er scheitern. Wer die Polizei zur Provokation einsetzt, anstatt zu deeskalieren, wer jeglichen Regelverstoß durch Festnahme ahnden will, anstatt das Geschehen zu kontrollieren, der hat offenbar nicht das nötige Augenmaß, um in Berlin Innensenator zu sein. Konsequent ist es schon, dann über ein gänzliches Verbot von Demonstrationen zum 1. Mai laut nachzudenken. Richtiger wird es dadurch nicht; und mit dem Demonstrationsrecht ist es erst recht nicht vereinbar. Es zeigt lediglich die Sackgasse, in der der Innensenator gelandet ist. Gerd Nowakowski
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